Der junge deutsche Pianist Simon Oslender erfüllt sich einen Lebenstraum – und nimmt ein Album mit zwei seiner musikalischen Vorbildern auf. Das Ergebnis: purer Spaß
von Sebastian Meißner
Mit „All That Matters“ legt Simon Oslender ein Album vor, das sowohl in musikalischer als auch in persönlicher Hinsicht eine bemerkenswerte Bedeutung hat. Als junger, aufstrebender deutscher Organist und Pianist gelingt es ihm, mit zwei der größten Namen des weltweiten Jazz, dem Schlagzeuger Steve Gadd und dem Bassisten Will Lee, nicht nur seine musikalische Vision zu realisieren, sondern auch einen langgehegten Traum zu verwirklichen. Die Entstehung dieses Albums liest sich wie ein modernes Märchen – ein Musiker, der die großen Idole seiner Jugend um Unterstützung bittet, und diese mit einer beispiellosen Unkompliziertheit und Offenheit gewährt bekommen: „Ich habe meinen Produzenten bearbeitet, bis er überzeugt war. Dann haben wir angefragt, zehn Minuten später hatten wir beide Zusagen.“
Dass Gadd und Lee, beide über 70 Jahre alt, sich auf das Abenteuer eines Projekts mit einem noch relativ unbekannten Künstler wie Simon Oslender einlassen, spricht für die außergewöhnliche Qualität dieses jungen Musikers. Es ist die Mischung aus Talent, Leidenschaft und einer fast schon naiven Frische, die den erfahrenen Jazzgrößen offenbar überzeugte – und das hört man „All That Matters“ in jeder Sekunde an.
Das besondere Zusammenspiel
Das Album selbst ist eine uneitle Angelegenheit. Schon der Titel „All That Matters“ weist darauf hin, dass es nicht um technische Perfektion oder makellose Kompositionen geht, sondern um das Gefühl, die Seele und die emotionale Kraft der Musik. Und genau diese Elemente stehen bei Oslender im Mittelpunkt. In den Aufnahmen entfaltet sich eine mitreißende Spielfreude, die von einer außergewöhnlichen Interaktion zwischen den Musikern lebt. Gadd und Lee sind nicht nur Sidemen, sie sind gleichwertige Partner, die Simon Oslender mit einem respektvollen, fast intuitiven Austausch in seine Musik einbezieht.
Besonders hervorzuheben ist das maximal entspannte und unglaublich präzise Schlagzeugspiel von Steve Gadd. Mit seiner unnachahmlichen Fähigkeit, Rhythmus und Tempo in einem kontinuierlichen Fluss zu halten, schafft Gadd Raum für Oslender, aber auch für die anderen Musiker, sich auf eine ganz besondere Weise zu entfalten. Bassist Will Lee bringt mit seinem lockeren, aber gleichzeitig sehr soliden Groove eine zusätzliche Dimension in die Musik, die sie zu einem der markantesten Elemente des Albums macht. Oslender selbst, auf seiner Hammond B3, wird dabei zu einer sprudelnden Quelle kreativer Energie – der Raum für sein Spiel ist großzügig, doch nie leer. Seine Soli sind voller Kraft und Mitteilungsdrang, ganz unprätentiös und immer dem Moment verschrieben.
Ein Album der Spielfreude
In „Two Brothers (As One)“ entfaltet sich ein atmosphärisches Stück, in dem sich die Musiker gegenseitig anregen und die Musik fast wie ein Dialog wirkt, der zwischen den Instrumenten hin und her fließt. Besonders die Interaktionen zwischen Oslender und Jakob Manz, dem 22-jährigen Altsaxofonisten, der sich in der Groove-Jazz-Szene bereits einen Namen gemacht hat, sind bemerkenswert. Manz bringt eine ungeheuer prägnante und doch gleichzeitig geschmeidige Linie in das Stück, die perfekt zu Oslenders organischen, funkigen Sounds passt.
in „Leaving Paradise“, einem echten Highlight des Albums, ist Nils Landgren zu hören. Hier zeigt sich, wie Simon Oslender seine musikalischen Wurzeln – R&B, Blues, Soul und Gospel – in einem frischen, modernen Jazz-Kontext aufleben lässt. Bruno Müller, der auf „All That Matters“ als einer der führenden Groove-Gitarristen Deutschlands agiert, verleiht dem Stück eine besondere Tiefe und spürbare Energie. Sein Spiel ist dicht, aber nie überladen, was die Flexibilität und den Fokus der gesamten Band unterstreicht.
Dass der legendäre Nils Landgren in einem Stück als Special Guest zu hören ist, setzt dem Album die Krone auf. Seine Posaune verleiht „All That Matters“ nicht nur eine zusätzliche Schattierung, sondern erinnert auch an die reiche Tradition des Jazz, in der Interaktion und musikalische Dialoge zwischen den Instrumenten stets im Vordergrund stehen.
Ein persönliches und universelles Album von Simon Oslender
„All That Matters“ ist ein sehr persönliches Werk von Simon Oslender. Die Hammond B3, mit der er schon in jungen Jahren begann, gibt diesem Album seine markante Klangfarbe und erinnert daran, dass Jazz immer auch eine Sprache des persönlichen Ausdrucks und der Emotion ist. Und so ist „All That Matters“ ein Zeugnis ungeschminkter Spielfreude, Interaktion und musikalischer Frische.
„All That Matters“ von Simon Oslender erscheint am 25.10.2024 bei Leopard. (Betragsbild von Boris Breuer)