Iwan Turgenjew: Das Adelsgut

Iwan Turgenjew Das Adelsgut Buchvover Manesse Verlag

Mal wieder einen Klassiker lesen. Zum Beispiel „Das Adelsnest“ von Iwan Turgenjew in der Neu-Übersetzung beim Manesse Verlag

von Gérard Otremba

Anlässlich seines 200. Geburtstags erschien 2018 diese von Christiane Pöhlmann übersetzte Neuausgabe des Romans „Das Adelsgut“ (vormals „Das Adelsnest“) von Iwan Turgenjew in der Manesse Bibliothek. Der 1859 veröffentlichte Roman zählt vollkommen zu Recht zu den wichtigsten und besten Werken Turgenjews und kristallisiert sich auch für Erstleser 250 Jahre später als ein Höhepunkt russischer Prosa des poetischen Realismus im 19. Jahrhundert. In „Das Adelsgut“ erzählt Iwan Turgenjew die Geschichte von Fjodor Lawrezki, der aus dem Ausland in seine Heimat, einer Stadt in Mittelrussland mit dem Namen O., zurückkehrt. Der Mittdreißiger hat sich von seiner Frau Wawrawa getrennt, nachdem er von ihrem Ehebruch erfahren hat. Seine Rückkehr soll für ihn einen Neuanfang darstellen, den er sich auf dem Gut seiner Cousine Marja Dimitrijewna erhofft.

Iwan Turgenjew und der russische Adel

Iwan Turgenjew Das Adelsgut Buchvover Manesse Verlag

Lawrezki verliebt sich in Lisa, die 19-jährige Tochter seiner Cousine. Als sie von dem angeblichen Tod Wawrawas erfahren, scheint ihrem Glück nichts mehr im Wege zu stehen, obgleich mit dem Beamten Wladimir Panschin ein weiterer Verehrer in Lisas Leben eine Rolle spielt. Wawrawa indes taucht sehr lebendig in O. auf und bittet ihren Gatten um Vergebung, der dieser Bitte nicht entspricht. An Ende geht die fromme Lisa ins Kloster, Wawrawa zurück nach Paris und Lawrezki bleibt allein in seiner neuen, alten Heimat. Eine typische und zu erwartende Handlung eines Romans aus der Epoche des Realismus. Iwan Turgenjew spiegelt in seiner Hauptfigur Lawrezki den Wandel des russischen Adels Mitte des 19. Jahrhunderts wider. Er gehört einer ideologisch gespaltenen Generation, die noch mit der eigenen Vergangenheit kämpft, sich eine blühende Zukunft erträumt, aber sich in der Zerrissenheit ihrem Schicksal er- und letztlich aufgibt.

Naturbeschreibungen als Blick in die Seele

So bleiben dem bemitleidenswerten Lawrezki nur noch die Erinnerungen sowie die deprimierende und resignierende, im Epilog festgehaltene Einsicht: „Sei gegrüßt, du einsames Alter! Verbrenne, du unnützes Leben!“. Iwan Turgenjew schenkt der Familienbiografie seiner Hauptfiguren, die er in Rückblenden in die Geschichte einwebt, bedeutend viel Raum und verliert sich passagenweise in gar prächtigen Naturbeschreibungen, die nicht nur die Natur beschreiben, sondern als Blick in die Seelen der Protagonisten dienen. Ein erhebendes Stück russischer Literatur. Und einmal mehr wird einem bewußt, wieder häufiger Klassiker lesen zu müssen. Die Manesse Bibliothek bietet eine reichhaltige Fundgrube.  

Iwan Turgenjew, „Das Adelsnest“, Manesse, aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann, mit einem Nachwort von Michail Schischkin, Hardcover, 384 Seiten, 978-3-7175-2448-9, 25 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)             

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