Deafheaven: Infinite Granite – Albumreview

Deafheaven credit George Clarke

Auch auf ihrem neuen Album „Infinite Granite“ überzeugt die kalifornische Rock-Band Deafheaven

Veränderung ist gut und wichtig, das gilt für die Meisten, sogar in der Musik – auch wenn es Ausnahmen gibt wie die Ramones, AC/DC oder Status Quo, deren Charme und Qualität sich zu großen Stücken aus dem entwicklungstechnischen Stillstand speiste. Trotzdem – und trotz aller Vorwarnungen in Gestalt von ständig „untruen“ Statements wie einer Black Metal-Scheibe im rosa Cover („Sunbather“ (2013)), Tourneen mit genrefremden Kumpels oder einer häufig ausgelebten Neigung zum Shoegaze – ist der Entwicklungssprung, den Deafheaven mit ihrer fünften Scheibe „Infinite Granite“ hier präsentieren, gewaltig und auch für die Fangemeinde vielleicht schwer zu ertragen, die Deafheaven genau aus diesen ihren Alleinstellungsmerkmalen feiert. Habt ihr, geneigte Interessierte, die Vorabsingle gehört, „In Blur“? Oder den Album-Opener „Shellstar“?

George Clarke singt wie Morrissey

Deafheaven Infinite Granite Cover Sargent House

Die Frage, die alle anderen dabei überstrahlt, lautet erstmal: Wollt Ihr uns verarschen, Deafheaven? Im noch druckfrischen, aktuellen Heft der Zeitschrift „Deaf Forever“ – ein Organ, der Anbiederung an den Zeitgeist eher unverdächtig – empfiehlt Wolf-Rüdiger Mühlmann jedoch ausgerechnet dieses neue Deafheaven-Album erstmals „uneingeschränkt“ im Gegensatz zu den Brechern vorher, und ja: haben sich die Erwartungen an ein mitreißendes, psychedelisch-bewegungsstimulierendes Werk zwischen enthemmtem Gekreische und alles verschlingenden Gitarrenstrudeln ein wenig gelegt, ist es nur noch ein kleiner Schritt, dem entrücktem vokalen Vortrag George Clarkes zu lauschen sowie ihm zu verfallen, gerade bei „In Blur“ oder beim Nachfolger „Great Mass Of Color“, bei dem sogar eine stimmliche Nähe zu Morrissey spürbar wird.

Gitarrist Kerry McCoy unterstützt solche Assoziationen mit seinem wavigen Klang; gerade dieser Song ist einer diejenigen, die bisheriges Hören belohnen mit einem Soundzitat auf vergangene Zeiten, in denen die Klampfen Fahrt aufnehmen und Clarke ein Retro-Keifen spendet – ein kleines nur, aber es fühlt sich an wie eine Insel zum Verschnaufen, bevor es melancholisch-verträumt weiter geht.

Deafheaven sind immer noch wegweisend

„Lament For Wasps“ schmerzt den Fan unter Umständen wieder leicht, Clarke singt oder säuselt dabei ungewohnt schwächlich, vielleicht sollte man eher schreiben verletzlich – man muss sich dran gewöhnen um es zu mögen, so als Altfan. Zum Glück helfen die Musizierenden dabei: McCoy neben Shiv Mera an weiterer Gitarre, Bassist Chistopher Johnson sowie Drummer Daniel Tracy, die nicht von Anfang an bei Deafheaven am Start waren, alle wegweisenden Platten vorher jedoch schon mitzuverantworten hatten. Und „wegweisend“, das sind Deafheaven nach wie vor, auch und gerade weil sie Erwartungen nicht gerecht werden außer der, einmal mehr zu überzeugen.

Kollege Mühlmann oder Michael Nelson von Stereogum mit seiner frenetischen Abhandlung sind da schneller weiter als ich es bin, ich verliere mich jedoch zusehends gerade in den beiden letzten Stücken der Scheibe: „Other Language“, der eine überzeugende Synthese bildet aus gewohnten neben unerwarteten Sounds, sowie „Mombasa“, mit zärtlichem Start, sanfter Gitarre sowie gefühlvollem Schwelgen: George Clarke fasziniert dabei komplett. Hab ich mich schon umgewöhnt oder ist das hier einfach nur unfassbar groß? Kulminiert schließlich in einem Post-Rock-Massaker, wie es auch MONO nicht schöner hinbekommen würden. Hach, Deafheaven.

„Infinite Granite“ von Deafheaven erscheint am 20.08.2021 bei Sargent House / Cargo Records. (Beitragsbild-Credit: George Clarke)

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