Den Schwung der Rückrunde in die neue Saison mitnehmen
Es war eine verrückte Saison 2016/17 für den FC St. Pauli. Nach der Hinrunde zierte der Hamburger Kult-Club mit lächerlichen elf Punkten relativ abgeschlagen den letzten Platz der 2. Fußball-Bundesliga. Es drohte großes Ungemach, doch wo an anderen Stellen die Marktmechanismen Trainerentlassungen zufolge gehabt hätten, hielt der Verein am von Fans geliebten Ewald Lienen fest, verpflichtete bereits im November Olaf Janßen als Co-Trainer und beide bedankten sich für das Vertrauen mit der besten Rückrunde der Vereinsgeschichte. Unfassbare 34 Punkte sammelte die wie ausgewechselt spielende Mannschaft und torpedierte sich am Ende auf einen nicht mehr für möglich gehaltenen 7. Platz in der Endtabelle. Ganz St. Pauli lag Ewald Lienen endgültig zu Füßen, der es aber nach zweieinhalb Jahren an der Seitenlinie vorzog, ab sofort als Technischer Direktor am Millerntor zu arbeiten.
Dass Olaf Janßen zu Cheftrainer aufstieg war ein logischer Schritt und die wichtigste personelle Änderung für die anstehende Saison 2017/18, die für den FC St. Pauli am Freitag, 28.07. um 20.30 Uhr, mit dem Auswärtsspiel beim VfL Bochum beginnt. Der Kader blieb zusammen, lediglich punktuelle Veränderungen waren notwendig. Der Abgang des bereits im letzten Jahr wechselwilligen Kapitäns Sören Gonther zu Dynamo Dresden wurde durch die Verpflichtung des Würzburgers Clemens Schoppenhauer kompensiert, zudem wurde für die rechte Abwehrseite der junge Luca Zander von Werder Bremen ausgeliehen und der bereits ausgeliehene Edeltechniker Cenk Sahin fest verpflichtet. Der letzte Saison im Sturm zu oft auf sich allein gestellte Torjäger Aziz Bouhaddouz bekam mit dem bundesligaerfahrenen Sami Allagui einen hoffentlich kongenialen Partner zur Seite gestellt.
Die Vorbereitungsphase verlief für die Kiezkicker vielversprechend, bis auf einen erneuten Kreuzbandriss beim hochbegabten Ryo Miyaichi, der, vom Verletzungspech gebeutelt, sein Können in den letzten beiden Jahren nur ansatzweise zeigen konnte, blieben die Spieler von größeren Läsionen verschont. Gelingt es Olaf Janßen und seinem eingespielten Team den Schwung der Rückrunde in die neue Saison mitzunehmen, ist ein Platz in den Top-Ten der 2. Liga realistisch, bei optimalen Verlauf spielt der FC St. Pauli um den Aufstieg. Ansprüche auf eben jenen melden viele Mannschaften an, es ist nach dem Wiederaufstieg von Stuttgart und Hannover eine wahrscheinlich noch ausgeglichenere Spielzeit zu erwarten. Ein Durchmarsch nach unten, wie ihn der SC Paderborn zuletzt gezeigt hat, ist den Erstligaabsteigern aus Ingolstadt und Darmstadt nicht wirklich zuzutrauen, eine Platzierung im oberen Drittel der Tabelle wahrscheinlich.
Ob die Eintracht aus Braunschweig die verpasste Relegationschance mental verkraftet hat, muss man abwarten, ein Wörtchen oben mitreden sollte sie jedoch können. Nicht zu vergessen der Vorjahresvierte, der 1. FC Union Berlin, der für höhere Weihen gerüstet scheint. Mit Mittelmaß möchte sich auch die Traditionsclubs aus Bochum, Düsseldorf und Nürnberg nicht zufrieden geben, Kampfansagen sind hörbar. Mit dem MSV Duisburg ist nach einjähriger Abstinenz in der Drittklassigkeit ein klangvoller Name zurück in der 2. Liga. Gar 36 Jahre Zweitligapause musste Holstein Kiel über sich ergehen lassen, das zusammengeschweißte Kollektiv aus dem hohen Norden sollte man nicht unterschätzen. Ob der zweite Aufstieg in zwei Jahren für den Jahn Regensburg nicht einer zu viel war, oder ob die Mannschaft ein weiteres Mal überraschen kann, wird sich herausstellen.
Ein Satz zu 1860 München, der doch etwas überraschend abstieg und sich nun gar in der vierten Liga wiederfindet, sei gestattet. So leid es mir um die vielen Fans tut, aber das Kasperle-Theater um Investor Hasan Ismaik glich irgendwann nur noch einer lächerlichen Provinzposse. Es sollte ein mahnendes, negatives Beispiel für alle Vereine sein, die ihre Profi-Abteilung noch nicht ausgegliedert und in eine wie auch immer geartete Kapitalgesellschaft umgewandelt haben. Und eine Warnung für alle, die die Umwandlung vollzogen haben, so schnell kann es passieren. Ein Thema, dass ich eventuell noch an anderer Stelle zu Sprache bringen werde. Zum Schluss, wie jedes Jahr, mein objektiv-subjektiver Endtabellen-Tipp, der meine Wünsche berücksichtigt und die Realität nicht außer Acht lässt.
1. 1. FC Union Berlin
Den Tipp gab ich letztes Jahr schon ab. Diesmal klappt es aber mit dem Aufstieg.
2. FC Ingolstadt 04
Wie jeder Absteiger werden sich die Ingolstädter an die Zweitligaluft gewöhnen müssen, doch erscheint mir der Kader stark genug für den direkten Wiederaufstieg.
3. FC St. Pauli
Relegation ist zwar doof und gehört dringend abgeschafft, aber dann halt durch die Hintertür (bei optimalem Saisonverlauf).
4. VfL Bochum
Weil Bochums neuer Trainer Ismail Atalan ein cooler Typ ist und den VfL aufrütteln wird.
5. 1. FC Heidenheim
Wieder ein Platz besser, mehr geht aber immer noch nicht.
6. SV Darmstadt 98
Das Herz schlug in der letzten Saison für den Bundesliga-Underdog, der Abstieg muss indes noch verarbeitet werden.
7. Eintracht Braunschweig
Das Jahr nach der Relegation ist ein schwieriges. Aber es wird ja punktetechnisch alles ganz eng, vielleicht ist der eine oder andere Platz weiter oben wieder möglich.
8. Fortuna Düsseldorf
Geschichte wird zwar noch nicht gemacht, aber es geht voran.
9. 1. FC Nürnberg
Siehe Platz 8.
10.SpVgg Greuther Fürth
Jetzt wieder hinter den „Clubberern“
11. 1. FC Kaiserslautern
Mit langsamen Schritten aus der Talsohle.
12. Dynamo Dresden
Starke Saison als Aufsteiger, aber das schwierige zweite Jahr steht bevor.
13. Holstein Kiel
Die frische Brise aus dem Norden. Reicht für den Klassenerhalt.
14. SV Sandhausen
Ewig unterschätzt, bleibt aber immer drin, wohl auch diesmal.
15. MSV Duisburg
Weil ich den Duisburgern den Klassenerhalt gönne.
16.Arminia Bielefeld
Es wird knapp, die Relegation ist noch mal eine Chance.
17. Erzgebirge Aue
Es wird knapp, vielleicht ist Platz 16 drin.
18. Jahn Regensburg
Weil der Aufstieg doch zu früh kam.
Beitragsbild: Logo FC St. Pauli.