In seinem neuen Buch „Das glückliche Geheimnis“ erzählt Arno Geiger von seinem jahrelang gepflegten Doppelleben
Arno Geiger enthüllt sein „glückliches Geheimnis“ bereits in der Anfangspassage auf der ersten Seite. „Es gibt dunkle Geheimnisse, und es gibt glückliche Geheimnisse. Mein glückliches Geheimnis bestand fünfundzwanzig Jahre lang darin, dass ich in Wien ausgedehnte Streifzüge machte und die an den Straßen stehenden, für Altpapier vorgesehenen Behältnisse erkundete auf der Suche nach für mich Interessantem.“ Und Arno Geiger wurde fündig. In weggeworfenen Tagebüchern, Brief-Konvoluten und Büchern. Geiger war ein junger und noch erfolgloser Schreiber, als er mit seinem ungewöhnlichen „Hobby“ begann.
Arno Geiger als „Vagabund“, „Stadtstreicher“ und „Lumpensammler“
Manche seiner wertvollen Fundstücke, von Briefmarkensammlungen bis hin zu alten Comics, verkaufte er auf Flohmärten und so trugen sie auf diese Weise zu seinem Lebensunterhalt bei. Andere indes dienten ihm als Inspirationsquellen für seine Romane und veränderten seinen Blick auf die Menschen. In seiner autobiographischen, nicht als Roman gekennzeichneten Retrospektive nimmt die Zeit seiner „Erfolglosigkeit“ einen genauso großen Raum ein wie die nach dem Gewinn des Deutschen Buchpreises mit „Es geht uns gut“ im Jahr 2005. Denn Geiger führte sein Leben als „Vagabund“, „Stadtstreicher“ und „Lumpensammler“, wie er sich selbst nennt, auch nach seinem finanziellen wie literarischen Durchbruch fort.
Diese SUV-Fahrer
Im Verlauf dieser Jahre verändert sich Geigers Perspektive auf seine „geheime Tätigkeit“. Begleitete die Scham Arno Geiger als jungen Mann dabei, wich dieses unangenehme Gefühl einem Eigensinn, seine morgendlichen Runden waren nun ein Ausdruck eines unkonventionellen Weges für ihn, standen für Freiheit, dienten ihm aber immer auch als Rückzugsort. Obwohl nun medial einigermaßen präsent, erkannte ihn niemand während seiner morgendlichen Obsession. Geiger gewährt in „Das glückliche Geheimnis“ noch weitere Einblicke in sein privates Leben. Ausführlich erzählt er von seiner über die Jahre schwierigen Beziehung zu seiner jetzigen Frau. Ebenso erzählt Geiger in bewegender Art von den gesundheitlichen Schicksalsschlägen seiner Eltern und Freunde sowie der Wechselwirkung auf sein Leben und Werk und geht auf wenigen Seiten sehr prägnant auf die menschlichen Veränderungen der letzten 25 Jahre ein, samt eines vernichtenden Urteils gegenüber SUV-Fahrern („SUV-Fahrer hassen die Welt und hassen die Zukunft. Der große Wagen ist Ausdruck der eigenen Machtlosigkeit, ja Nichtigkeit.“).
Eine Zäsur für Arno Geiger
Dieses Buch, Nachfolger des von Sounds & Books rezensierten „Unter der Drachenwand“, markiert eine Zäsur für Arno Geiger. Der 1968 geborene Schriftsteller hat seine Altpapier-Container-Runden eingestellt, hat ein Geheimnis preisgegeben und sein privates Leben offengelegt. Geiger erzählt das alles sehr charmant, sympathisch und intensiv, manchmal witzig, manchmal tragikomisch und manchmal selbstironisch. Und immer bleibt er, dem häufig rauen Stoff zum Trotz, dabei stets ein feinsinniger Stilist. Arno Geiger hat uns ein glückliches Geheimnis verraten, glücklich auch der, der dieses Buch liest.
Arno Geiger: „Das glückliche Leben“, Hanser, Hardcover, 240 Seiten, 978-3-446-27617-8, 25 Euro. (Beitragsbild von Heribert Corn)
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