Andreas Moster: Kleine Paläste

Andreas Moster credit Teja Sauer

Andreas Moster inszeniert seinen zweiten, von der Hamburger Kulturbehörde zum „Buch des Jahres“ geehrten Roman als intensives Kammerspiel

Andreas Moster wählt einen spektakulären Einstieg für seinen neuen Roman. Nahezu in Echtzeit schildert die verblichene Sylvia Holtz ihren Unfalltod, den sie ihrem Hund Lupus anlastet. Fortan gehört sie zu den Erzählstimmen in Mosters Roman „Kleine Paläste“ und schildert ihre Eindrücke aus der Jenseits-Perspektive, als unmittelbar am Geschehen teilnehmender, aber nicht eingreifen könnender Geist. Sylvias gespenstische Anwesenheit als Tote wird sogar von ihrem dementen und an einen Rollstuhl gefesselten Mann Carl wahrgenommen. Für den gemeinsamen Sohn Hanno, aufgrund des Todes seiner Mutter nach fast dreißig Jahren wieder nach Hause zurückgekehrt, sind das krankheitsbedingte Aussetzer seines Vaters, der den Tod seiner Frau vergessen hat.

Das Familienfest 1986

Andreas Moster Kleine Paläste Cover Arche Verlag

Hanno, ein eher rastloser Charakter, der 1990 nach einem Streit mit seinem stets als Patriarch auftretenden Vater früh das Elternhaus verließ, ist mit der Situation um die Pflegebedürftigkeit seines Erzeugers heillos überfordert. Hilfe erhält er von Nachbarstochter Susanne, für die er als Teenager einmal geschwärmt hat und die im Gegensatz zu Hanno zeitlebens zu Hause blieb, den Selbstmord ihres Vaters sowie den Krebstod ihrer Mutter – beide Tote tauchen ebenfalls als Geister im Schlepptau von Sylvia Holtz auf – erleben musste und seit Jahren das Leben des Holtz-Ehepaars mit einem Fernglas beobachtet. Andreas Moster inszeniert „Kleine Paläste“ als intensives Kammerspiel zwischen den erwähnten Protagonisten. Ein entscheidendes, noch immer nachhallendes Ereignis in ihrem Leben war ein Fest der Familie Holtz im Jahr 1986, das für die damalige Teenagerin Susanne mit einem fürchterlichen, nie öffentlich gemachten Erlebnis endete.

Andreas Moster bringt Paläste zum Einsturz

Der im pfälzischen Bad Bergzabern aufgewachsene und in Hamburg lebende Schriftsteller reißt mit diesem Plot die Fassade der bürgerlichen Kleinststadtidylle der 80er-Jahre nieder und bringt die kleinen Paläste zum Einsturz. Wo es offensichtlich durchaus en vogue war, seine Nachbarn mit einem noch schöneren Haus, oder zumindest Garten, in den Schatten zu stellen. Der nach außen zu wahrende Schein überstrahlte das Sein. Nicht anders in Mosters Roman, in dem die damalige Scheinheiligkeit und Doppelmoral einzelner Personen das Leben anderer noch bis in die Gegenwart bestimmen. Andreas Mosters abwechselnder Blick aus verschiedenen Perspektiven entwickelt eine faszinierende Dringlichkeit, seine Charakterdarstellungen eine dynamische Tiefe. Und bei aller Ernsthaftigkeit des Sujets schwirren zeitweise sublime humoristische Töne durch den gekonnt aufgebauten und glänzend erzählten Roman. Von der Hamburger Kulturbehörde als „Buch des Jahres“ geehrt. Wer es gelesen hat, weiß weshalb.

Andreas Moster: „Kleine Paläste“, Arche, Hardcover, 304 Seiten, 978-3-7160-2804-9 22 Euro. (Beitragsbild von Teja Sauer)

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