Queer Studies – Schlüsseltexte

Queer Studies Cover Suhrkamp Verlag

Eine von Mike Laufenberg und Ben Trott herausgegebene Sammlung an Schlüsseltexten zum Thema „Queer Studies“ aus mehr als 30 Jahren

von Sebastian Meißner

Mike Laufenberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena sowie Ben Trott, Gastprofessor am Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft an der Leuphana-Universität in Lüneburg, legen mit diesem rund 560 Seiten dickem Band eine Sammlung von Schlüsseltexten aus mehr als 30 Jahren Queer Studies vor. Die Queer Studies sind ein interdisziplinäres Fachgebiet innerhalb der Kulturwissenschaften, das sich mit der Erforschung sexueller Identitäten befasst. Basierend auf den Grundlagen der Queer-Theorie haben die Queer Studies das Ziel, queer-theoretische Ansätze in spezifischen wissenschaftlichen Disziplinen anzuwenden. Dabei werden die Untersuchungen an die individuellen Merkmale und Strukturen jeder Disziplin angepasst. Dieses Forschungsfeld erstreckt sich über verschiedene Bereiche – darunter Literaturtheorie, Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Soziologie, Philosophie und Psychologie, und schließt darüber hinaus weitere wissenschaftliche Disziplinen mit ein.

Queer Studies und der Diskurs

Queer Studies Cover Suhrkamp Verlag

Inhaltlich untersuchen sie zum Beispiel die Macht geschlechtlicher und sexueller Normen und wie diese infrage gestellt werden oder die komplexen Zusammenhänge von Sexualität, Geschlecht, Rassismus, Klasse und Nation. „Queer Studies“ versammelt zwölf klassische und neuere Schlüsseltexte der anglophonen Queer Studies in deutscher Sprache und führt so in die wichtigsten theoretischen Positionen ein, macht mit den zentralen Entwicklungslinien des Diskurses vertraut und präsentiert wegweisende queere Analysen zu Kapitalismus, Migration, Geopolitik, Behinderung, Aktivismus, Kultur und Subkultur. Die Herausgeber schreiben im Vorwort dieses Bandes, dass die Texte des vorliegenden Bandes „den heterogenen und dynamischen Charakter dieses Arbeitsfeldes“ demonstrieren und das Feld in den letzten Jahren „am stärksten mutgeformt haben“

Von Judith Butler bis Cathy Cohen

Unter den Autor:innen finden sich zum Beispiel Judith Butler, deren „Gender Trouble“ vor 30 Jahren in den USA erschien (ein Jahr später als „Das Unbehagen der Geschlechter“ dann auch bei uns) und längst ein Klassiker der Gender-Forschung ist. Außerdem mit dabei: die bereits verstorbene Vorreiterin Eve Kosofsky Sedgwick mit ihren klugen Überlegungen zu männlichen Homophobie und ihrem Einfluss auf westliche Kultur, Lee Edelmann und ihren spannenden Überlegungen zur Kindererziehung, die Subkulturanalytikerin Cathy Cohen sowie der 2013 verstorbene José Esteban Muñoz.

Queer Studies und die Nachbardisziplinen

Diese Beiträge sind also nicht nur ihrem Inhalt nach divers. Auch formal und in ihrem Wirkungsbereich gibt es zwischen ihnen große Unterschiede. Gemein ist ihnen ihr Scharfsinn, mit dem sie das Subjekt im gesellschaftlichen Kontext und unsere unsichtbaren Alltagsregeln unter die Lupe nehmen – und es so schaffen, dass eine ganz andere Welt greifbar wird. Beeindruckend ist auch die Dringlichkeit, mit der hier argumentativ gearbeitet wird. Es ist diesen Texten immer wieder anzumerken, dass ihre Urheber:innen sich einer grundlegenden Wahrnehmungsveränderung auf der Spur wähnten, einem großen gesellschaftlichen Umschwung, dessen Eintritt sie herbeisehnten. Dabei sind ein analytisch scharfer Blick ebenso inbegriffen wie die (erstaunlich) leichte Anschlussfähigkeit dieser Ansätze an Nachbardisziplinen.

„Bemerkenswerte Produktivität“

„Queer Studies“ schafft eine wichtige Orientierung in einem so wichtigen Untersuchungsfeld. Die beiden Herausgeber sprechen im Vorwort von einer „bemerkenswerten Produktivität dieses Forschungsfeldes“. Wer den Ursprung und die wichtigsten Überlegungen bis heute zusammengefasst lesen will, ist hier an der richtigen Adresse. Das enorme Literaturverzeichnis gibt Orientierung für vertiefende Lektüre. Wer diese Texte gelesen hat, wird mehr lesen wollen. Nicht zuletzt, um auch mehr über sich selbst zu erfahren.

„Queer Studies – Schlüsseltexte“, herausgegeben von Mike Laufenberg und Ben Trott, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 576 Seiten, 978-3-518-29908-1, 28 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)

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