Maria Leitner: Hotel Amerika

Maria Leitner Hotel Amerika Cover Reclam Verlag

Ein bemerkenswerter Roman einer bemerkenswerten Autorin. Neuauflage des 1930 erschienenen Buches „Hotel Amerika“ von Maria Leitner

von Sebastian Meißner

Maria Leitner war eine Kämpferin. Sie bereiste die Welt (New York ebenso wie Haiti, Aruba oder den Mittleren Westen) und beschrieb in ihren hochgelobten Reportagen aus einer dezidiert linken Perspektive heraus den Klassenkampf. Als Mitglied im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, zu dem unter anderem auch Bertolt Brecht, Erich Mühsam und Anna Seghers gehörten, gab Maria Leitner denjenigen eine Stimme, die niemand hören wollte.

Die Ausbeutung in einem New Yorker Luxushotel

Maria Leitner Hotel Amerika Cover Reclam Verlag

So auch in ihrem Roman „Hotel Amerika“ von 1930, der von der Ausbeutung der Angestellten eines Luxushotels im New York der Roaring Twenties erzählt. Sämtliche Handlungen finden an einem Tag statt. Hier treffen wir auf Shirley, die irische Waschfrau, und ihre Mutter Celestina, die unter unwirtlichen Bedingungen im Hotelkomplex leben. Shirley erhält nur die abgetragenen Textilien aus dem Hotel, während sie gemeinsam mit ihrer Mutter versucht, sich durchzuschlagen. Ingrid, das Zimmermädchen aus Schweden, wird von der strengen Etagendame beaufsichtigt, während sie Zimmer säubert und Badewannen poliert, sich aber dennoch mit Würde durch ihren Arbeitstag kämpft. Fritz, der deutsche Küchenjunge, ist fasziniert von der enormen Küchenmaschinerie im Inneren des Hotels, die er mit Neugier und Enthusiasmus erkundet. Die schwarzen Küchenhilfen arbeiten effizient zusammen, während der stellvertretende Küchenchef mit Hilfe einer Rohrpostanlage und einem umfassenden Blick über die Küchenaktivitäten wacht und sie kontrolliert und lenkt.

Die sachliche Maria Leitner

Stilistisch ist „Hotel Amerika“ eine Abrechnung, verkleidet als Erzählung. Maria Leitner schreibt in sachlichem Ton, der wie nebenbei Unverständnis und Wut gegen dieses System fördert. Die Nationalsozialisten sahen genau darin die Gefahr einer Mobilisierung der Arbeiterklasse und verbrannten dieses Buch 1933 im Zuge ihrer Bücherverbrennung. „Hotel Amerika“ hat auch mehr als 90 Jahre nach der Erstveröffentlichung noch immer das Potenzial, Strukturen zu zerstören und Zustände in Frage zu stellen. Es deckt Ungerechtigkeiten auf und appelliert, diese nicht einfach hinzunehmen, sondern sich mit der Arbeiterschicht zu solidarisieren. Ein bemerkenswerter Roman einer bemerkenswerten Autorin.

Maria Leitner: „Hotel Amerika“, Reclam Verlag, Hardcover, 255 Seiten, 978-3-15-011476-6, 25 Euro. Mit einem Nachwort von Katharina Prager. (Beitragsbild: Buchcover)

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