Gisa Funck & Gregor Schwering: „Wir waren hochgemute Nichtskönner“

Gisa Funck und Gregor Schwering Wir waren hochgemute Nichtskönner Cover Kiepenheuer & Witsch

Eine Oral-History über „Die rauschhaften Jahre der Kölner Subkultur 1980-1995“ von Gisa Funck und Gregor Schwering

von Sebastian Meißner

Karneval, FC und halber Hahn: Das sind nun wieder die drei Dinge, mit denen die Stadt Köln von Bundesbürger:innen am meisten assoziiert wird. Rund 15 Jahre lang – eben etwa von 1980 bis 1995 – hatte die Domstadt aber auch einen exzellenten Ruf in Sachen popkultureller Subkultur. In dieser Phase entstanden in der damals üblichen DIY-Punkattitude zahlreiche Clubs und Kneipen, in denen Konzerte stattfanden und anschließend über sie debattiert wurde. Die SPEX wurde aus der Taufe gehoben und es entstand eine Art popkultureller Intellekt-Elite made in Cologne. Gisa Alexandra Funck, Literaturkritikerin und Autorin, und Gregor Schwering, heute Literatur- und Medienwissenschaftler, haben mit zahlreichen Protagonist:innen dieser prägenden Ära gesprochen und deren Erinnerungen zu einem lebhaften und unterhaltsamen Buch gebündelt.

Zeitzeugen berichten

Gisa Funck und Gregor Schwering Wir waren hochgemute Nichtskönner Cover Kiepenheuer & Witsch

In der für solche Vorhaben bewährten Form der Oral History kommen unter anderem kommen zu Wort: Peter Bömmels (damals Mitglied der Künstlergruppe Mülheimer Freiheit), Wolfgang Burat (SPEX-Gründungsteam), Diedrich Diederichsen (berühmtester Poptheoretiker des Landes und Chefredakteur der SPEX), Dirk Micky (damals Betreiber des XX) und Hans Nieswandt (Musikproduzent und Mitglied der Band Whirlpool Productions). Sie alle berichten von einer Zeit, in der einfach gemacht wurde, in der Ideale vor Profit, Neugierde vor Sicherheit standen und sich die Möglichkeiten, das Leben anders zu denken, vor allem vor dem Hintergrund von Popkultur abspielten.

Und so entsteht neben großem Staunen und abenteuerlichen Anekdoten auch jede Menge Wehmut in der Erinnerung an Zeiten, in denen das urbane Leben auch jenen Platz und Mittel bot, die nicht angepasst waren, sondern selbst gestalten und sich ausdrücken wollten. Welchen Stellenwert Köln heute in der bundesweiten und internationalen Popkultur hat, ist schwer zu bemessen. Die Spuren der prägenden jähre verblassen vielerorts. Gefühlt ist es sehr viel ruhiger, vor allem berechenbarer geworden. Ein Phänomen, das nicht nur in Köln vorzufinden ist, sondern längst auch Berlin, Hamburg und den alle anderen europäischen Metropolen erreicht hat.

Gisa Funck und Gregor Schwering grätschen dazwischen

„Wir waren hochgemute Nichtskönner“ ist vor diesem Hintergrund auch eine Quelle für Inspiration und Mutschöpfung. Dass die Autor:innen in ihrer Darstellung der Kölner Blütezeit nicht konsequent das Oral History-Format durchhalten und stattdessen immer wieder mit längeren kommentierenden Textblöcken dazwischengrätschen, wurde in anderen Rezensionen bereits als Ärgernis angemerkt, was zwar verständlich ist, aber nicht zu stark in den Fokus rücken sollte. Denn trotz dieser formalen Inkonsequenz bleibt die Lektüre hochspannend und inhaltlich wertvoll.

Gisa Funck und Gregor Schwering: „Wir waren hochgemute Nichtskönner – Die rauschhaften Jahre der Kölner Subkultur 1980–1995“, Kiepenheuer & Witsch, Hardcover, 352 Seiten, 978-3-462-00606-3, 28 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)

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