PIL live in Hamburg – Konzertreview

Der ewige Motor Wut: PIL begeistern ihr Publikum in der Markthalle Hamburg

Text und Fotos von Sebastian Meißner

Los geht es mit dem quirligen „Double Trouble“ vom neuen Album „What The World Needs Now“. Ein programmatischer Titel für diesen Abend und ein idealer Konzerteinstieg, der von Sekunde 1 an klarmacht, dass dies hier kein nostalgischer Trip für gealterte Ex-Rebellen werden wird. John Lydon trägt am 12.05.2016 in der Hamburger Markthalle eine weite gelbe Hose und ein ebenso weites weißes Hemd. Mit der Brille und dem Notenständer für die Textblätter sieht er aus wie ein irrer Straßenprediger. Und genau das ist er im Grunde ja auch. Er presst die Worte raus, dehnt und streckt sie, als könne er ihnen nur so ihre wahre Bedeutung herauswringen. Jeden Satz unterstreicht er mit ausgiebigen Gesten. Seine Stimme, die in den ersten Minuten noch Spuren vom Vortagesgig offenbart, wird mit jeder Silbe stärker. Zwischen den Songs ölt Lydon seine Kehle mit Weinbrand, den er anschließend in einen eigens dafür aufgestellten Eimer spuckt.

Wie in einer Zeitschleife
Ihm zur Seite stehen Ex-The Damned- Gitarrist Robert „Lu“ Edmonds, Scott Firth (Bass) und Bruce Smith (Schlagzeug). Es ist ein eingespieltes Team. Schon als dritten Song spielen sie „This Is Not A Love Song“ und haben damit das Publikum voll auf ihrer Seite. Es folgt ein intensives Set aus Hits und Abseitigem. Besonders stark sind „Death Disco“, „Warrior“ und „Rules And Regulations“, in denen Lydons Sirene die Markthalle bis in die letzte Reihe ausfüllt. 
Höhepunkt des Abends ist ohne Frage die 15-minütige Version von „Religion“ – eine Katharsis, in der die Band über einen den wie in einer Zeitschleife gefangenen Basslauf eine hypnotische Wirkung entfalten. Das offizielle Set beendet dann „Rise“ vom 1986er-Album „Album“, an dessen Ende das Lebensmotto des John Lydon mantraartig wiederholt wird: Anger is an energy. Wie wahr. Lydon hat es sich nie leicht gemacht. Er stritt mit Plattenfirmen und Begleitmusikern, kritisierte Medien und Politik und erarbeitete sich den Ruf des ewigen Grantlers. Darunter litten nicht nur seine Sympathiewerte, sondern auch sein musikalisches Renommee. Anders ist nicht zu erklären, dass Public Image Limited trotz verlässlich starker Alben in der Öffentlichkeit nie einen entsprechenden Status zugesprochen bekamen. Dass sie den verdienen, zeigte auch dieser Abend in Hamburg.

Unbequem und reizvoll
Noch auf dem Nachhauseweg klingt John Lydons Sirenenstimme im Kopf. PIL ist auch im 39. Jahr seines Bestehens eine höchstlebendige und unbequeme und eine eben deshalb reizvolle Band. Es war ein großer Abend!

kPIL 2 markthalle

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