Xiu Xiu: Oh No – Albumreview

Xiu Xiu by Julia Brokaw

Wie ein stringentes Mixtape funktioniert das neue Duett-Album von Xiu Xiu

Xiu Xiu (sprich: „Schu Schu“) ist Jamie Stewart. Eine Band ist Xiu Xiu auch irgendwie, nur mit häufig wechselnden Beteiligten. Angela Seo ist schon eine ganze Weile dabei (seit 2009). Beide bedienen unfassbar viele Instrumente und beackern einen Klangkosmos, der Pop, Gothic, Industrial, Avantgarde, Folk, Noise, Post-Punk oder Jazz touchiert – dementsprechend unterschiedlich klingen die seit 2002 veröffentlichten Alben. All diese grenzenlose Kreativität ist vernetzt mit zahllosen anderen Künstler:Innen, mit denen Xiu Xiu live wie auch im Studio interagieren: ein Duett-Album wie die hier besprochene Neuerscheinung „Oh No“, bei der auf (fast) jedem Track eine Gaststimme zu vernehmen ist, ist nach diversen Einzelbeiträgen ähnlicher Art also nur folgerichtig. Spannende Frage dabei: Wie „hörbar“ ist das alles in diesem Fall?

Diverse Duettpartner

Xiu Xiu Oh No Cover Polyvinyl Records

Vergangene Kollaborationen wie etwa die mit Merzbow („Merzxiu“, 2015) waren nicht uninteressant, aber weniger für die schmerzfreie Heavy Rotation auf dem Plattenteller angelegt. „Oh No“ kommt da weit schmeichelnder daher, trotz aller Schrägheiten, die den Songs Eigenständigkeit wie Charisma verleihen. Sharon Van Etten gastiert auf dem Opener „Sad Mescalita“, haucht und wispert; Stewart antwortet wehklagend bis beide zusammen das große Drama illustrieren. Weitere Partner: Greg Saunier (Deerhoof), Angus Andrew (Liars), die Punk-Legende Alice Bag, Schauspielerin wie Regisseurin Susanne Sachsse, Owen Pallett, Shearwaters Jonathan Meiburg oder Chelsea Wolfe, mit der Xiu Xiu das einzige Cover des Albums performt, „One Hundred Years“ von The Cure.

Die filmischen vergleiche mit Xiu Xiu

Ein Highlight von vielen stellt „Fuzz Gong Fight“ dar, Angela Seo ist da die Duettpartnerin. Ist es dann eigentlich noch eins? Egal. Der Song klingt bedrohlich, ein Noir mit sakraler Orgelbegleitung bei dem es um ein toxisches Vater/Tochter-Verhältnis zu gehen scheint. Toxisch sind die Beziehungen sowieso meist bei Xiu Xiu, gefährlich ebenso, leidenschaftlich oder irrational. Die filmischen Vergleiche, sie purzeln zurecht bei der Rezeption dieser Musik – großes Kino, vereinfacht gesagt. Zum wiederholten Mal nach der Zusammenarbeit mit der Turiner Formation Larsen als XXL kooperiert die Band auf dem Song  „A classic screw“ mit deren Fabrizio Modonese Palumbo. Industrial-Beats pumpen das Stück durch Field-Recordings, die personelle Nähe Xiu Xius und Larsens zu den New Yorker Swans ist hier akustisch nachvollziehbar. Sollte das Ganze mal wieder live aufgeführt werden, wird deren Thor Harris wohl wieder für den Rhythmus sorgen.

Großes Drama und toxische Beziehung

„Saint Dymphna“ mit Twin Shadow kassierte bereits ordentlich Vorschusslorbeeren im Netz: „One of Xiu Xiu’s most powerful and moving (songs)“ steht bei Genius. Wieder großes Drama und toxische Beziehung, musikalisch weit elegischer und sanfter als die Stücke davor. „A Bottle Of Rum“ vereinigt Xiu Xiu mal wieder mit Liz Harris (aka Grouper) nach 2006 auf einem leichtfüßigen Gitarren-Wave-Stück – beide Künster:Innen mit diesem Attribut zu vermengen schreibt sich merkwürdig, funktioniert jedoch tadellos.

Unterm Strich ist „Oh No“ wie ein stringentes Mixtape; wie diverse Kurzfilme vom selben Regisseur, die man zum Teil im Vorabendprogramm zeigen kann und zum Teil erst, wenn die Kinder im Bett sind. Langweilig ist dabei keiner von ihnen.

„Oh No“ von Xiu Xiu erscheint am 26.03.2021 bei Polyvinyl Records / Rough Trade. (Beitragbild von Julia Brokaw)

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