Ein wahrhaft magisches Ritual mit Wolvennest an Allerheiligen. Zum Glück herrscht in Hessen kein Tanzverbot.
Text und Fotos von Michael Thieme
Wobei: Tanzen? Nicht ganz die korrekte Bezeichnung für die Bewegungen, in die man verfällt wenn man einem Ritual beiwohnt des belgischen Kollektivs Wolvennest oder des Trios E-L-R aus der Schweiz. Der stille Feiertag verbietet allerdings auch laute Musik – und dass Hessen speziell zu diesem Anlass heidnischer tickt als ein großer Rest des gläubigen Europas sowie den Philippinen kann für Freunde majestätischer, akustischer Dampfwalzen durchaus als großes Glück gesehen werden. Ein Glück jedoch, dass nicht für alle galt.
Ein kranker Drummer
Die auf Augenhöhe mit dem Headliner auftretenden E-L-R, ein seit 2016 aktives Trio aus Bern, welches nach dem Release ihres famosen
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Zweitlings „Vexier“ auf Tour war mit dem US-Black Metallern Wolves In The Throne Room und nun zum wiederholten Mal mit ihren Buddies von Wolvennest die Bühne teilt, muss die krankheitsbedingte Absenz von Drummer Mischa Kästli verkraften. Die insgesamt zehn Dates mit Wolvennest werden von dem sonst für das Licht zuständigen Daniele bestritten – den Slot für das Gloomar Festival am 18.11. in Neunkirchen/Saar musste die Formation allerdings leider canceln. Vertreten werden sie dort nun von den Fvnerals, durchaus ein wertiger Ersatz. An dieser Stelle beste Genesungswünsche an Mischa Kästli.
Großes Kino schon bei E-L-R
Also die Person, die sonst das Licht macht, verdrischt nun die Felle – bedeutet dies, dass E-L-R nun im Dunkeln spielen müssen? Selbstverständlich jein. Stimmungsvolle Beleuchtung von hinten mit ordentlich Nebel vorne, der Alptraum aller Live-Fotografen mit höchstens mittelschwerem Equipment, ist sowieso Usus bei dieser Art von Klängen zwischen Post-Rock, Black Metal, Shoegaze oder Doom. Optisch ist das jedoch genau so großes Kino wie in diesem Fall auch akustisch – das insgesamt 45minütige, hypnotische Zusammenspiel der Akteur*Innen, hätte stundenlang so weiterlaufen können, ließ Leiber schwingen und Fäuste recken und begeisterte das extra pünktlich angereiste Publikum komplett. Hoffen wir, dass das Trio bald gesundet weiter machen kann.
Shazzulas Doninanz
Eine ähnliche musikalische Mischung erwartete einen später bei Wolvennest, dem Kollektiv aus Brüssel, die auch als „The Nest“ agieren und in deren festem Line Up Musizierende zählen, die sich in der Vergangenheit oder sogar parallel zu Wolvennest ihr Renommee gebildet haben in so unterschiedlichen Formationen wie La Muerte, Aqua Nebula Oscillator, White Hills oder sogar Dog Eat Dog oder Mucky Pup. Multiinstrumentalist, Stimme (eine von mehreren) sowie Labelbesitzer Déhà (aka Olmo Lipani) agiert laut dem Metal Archives gegenwärtig sogar in 33 Formationen, von denen nicht wenige bloß aus ihm selbst bestehen. Vielleicht ist diese Verzettelung der Grund für seine Absenz auf dieser Tour – die sechs weiteren Musizierenden ließen ihn bei den folgenden 75 Minuten jedoch nicht wirklich vermissen.
Zu überzeugend alleine schon die Dominanz von Shazzula, die neben ihrer Stimme und den Keyboards vor allem mit dem Theremin Akzente setzt und die Drei-Gitarren-Armee an ihrer Seite damit stilvoll kontrastiert. Welch eine Erscheinung, die flüsternd, beschwörend und verfluchend alle stimmlichen wie mimischen Register zieht und dabei locker als Juniorpartnerin von Diamanda Galás durchgeht.
Die Wolvennest-Videoinstellationen
Während auf der rechten Seite der Bühne die Gitarren-Bromance von Michel Kirby und Marc De Backer eindrucksvoll gepflegt wurde, herrschte auf der linken bei Gitarre und Bass weit mehr Konzentration vor – zumindest weniger Leichtigkeit und zuweilen auch ein nicht von den Zuschauern zu spezifizierender Unmut. Zusammengehalten wurde dies alles von der dunklen Göttin Shazzula in der Mitte, hinter der bei den Stücken des neuesten Werkes „The Dark Path To The Light“ Videoinstallationen zu bestaunen waren, die man direkt vor der Bühne sowie durch die Linse der Kamera schlecht verfolgen konnte. Wobei es durchaus Möglichkeiten gab, den Standort zu wechseln – das Kesselhaus im Schlachthof war ansprechend gefüllt, aber im Gegensatz zur Veranstaltung im Hauptraum nebenan weit davon entfernt, ausverkauft zu sein.
Reiseziel Wolvennest
Dunkler Kraut- sowie Psychedelic Rock dominierte das Soundgebilde zusätzlich zu den Einflüssen, die Wolvennest mit ihrem Support gemein haben. Die Menge an neuen Stücken und Klassikern hielt sich in etwa die Waage, die Anwesenden kannten sowieso alles und feierten beides gleichermaßen ab. Vieles, was in der Vergangenheit unter „okkultem Rock“ fabriziert wurde, fand sich bei diesen auf Shirt-Motiven wieder, aber, seien wir ehrlich: Mit Ausnahme von Jessica Toth kann niemand Shazzula diesbezüglich den Messbecher reichen. Eine beeindruckende Vorstellung, die zum Nachreisen einlädt. Wobei ich ernsthafte Schwierigkeiten habe, mir das Sextett mit diesem Equipment auf der Bühne des Berliner Privatclubs (5.11.) vorzustellen. Einzige Möglichkeit noch in Deutschland in diesem Jahr, wer also die Möglichkeit dazu hat: Hingehen!
























