Wolfgang Schorlau: Rebellen

Kein Stuttgart-Krimi, aber genauso politisch-unterhaltsam

von Gérard Otremba 

„Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.“

Dieses Zitat Bertolt Brechts, von Wolfgang Schorlau auf seinen Protagonisten Paul, einen der beiden „Rebellen“ seines neuen Romans, gemünzt, scheint auch auf Schorlau selbst zu passen. Seit Jahren in vorderster Front beim „Stuttgart 21“-Protest aktiv, kämpft Wolfgang Schorlau auch literarisch an der Verbesserung der Welt.  Seine in Stuttgart ansässigen Kriminalromane um Privatdetektiv Georg Dengler spielen immer vor dem Hintergrund politischer Ereignisse. Schorlaus Polit-Krimis wühlen auf, regen zum Nachdenken über gesellschaftliche Mißstände an und gehören zu den lesenswertesten deutschen Krimis. Die kurzen Kapitel und schnellen Perspektivwechsel seiner Kriminalromane behält Schorlau auch während „Rebellen“ bei, die Geschichte einer Freundschaft zwischen den aus entgegengesetzten Elternhäusern stammenden Paul und Alexander. Alexander aus der spießig-bürgerlichen Ecke, während Paul im gegenüberliegenden Eisenbahner-Waisenwohnheim aufwächst, das laut Alexanders Vater „überhaupt nicht in diese Gegend gehört“. Im Jugendalter lernen sie sich kennen und gehen gemeinsam durch die bewegten 60er und 70er Jahre, musikalisch, politisch und frauentechnisch. Wenn man Schorlaus Schilderungen der Spießergesellschaft der 50er- und 60er Jahre folgt, wundert man sich einerseits, dass nicht noch viele mehr den bewaffneten Kampf gesucht haben und freut sich als Nachgeborener andererseits über die großen Veränderungen an Geist und Körper, die durch das Aufbegehren junger Menschen gegen den Muff und Mief aus tausend Jahren erst möglich wurden. Es sind die damaligen dumm-dreisten, unverschämten und hirnlosen Sprüche der Kriegsgeneration, die nicht müde wurde zu betonen, man solle die „langhaarigen Demonstranten vergasen“. In Freiburg, wo Schorlaus Roman angesiedelt ist, reichte schon ein überaus gelungener und witziger Schüler-Lehrlings-Protest gegen die Fahrpreiserhöhung des öffentlichen Nahverkehrs, um Unmutsäußerungen der „erwachsenen“ Generation dieser Art zu entlocken. Wolfgang Schorlau verwebt in seinem Buch „Rebellen“ gekonnt das Politische mit dem Privaten und beschreibt die Wege des Arbeiters und späteren Erfinders Paul und des Studenten und späteren Unternehmers Alexander auf natürliche, sympathische, schnörkellose und lebensnahe Art, mit allen Verwirrungen und Konsequenzen. „Rebellen“ liest sich genauso gut wie Schorlaus Dengler-Romane.

Wolfgang Schorlau: „Rebellen“, Verlag Kiepenheuer & Witsch, HC, 978-3-462-04076-0, 19,99 €

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