Eine deutsch-griechische Geschichte
Wolfgang Schorlau ist natürlich nicht nur ein hervorragender Kriminalschriftsteller. Er ist zugleich Aufklärer, Mahner und vermutlich ein großer Idealist. In seinen Politthrillern um den Stuttgarter Privatermittler und ehemaligen BKA-Fahnder Georg Dengler behandelt er gesellschaftsrelevante, zeitgeschichtliche Themen und ist immer am Puls der Zeit. Schorlau geht dabei in die Schmerzzone, deckt auf, wo andere längst das Deckmäntelchen des Schweigens drübergelegt haben, schreibt unbequeme Wahrheiten, die Mächtige nicht lesen mögen. Im besten Fall verändert er mit seinen Büchern die Welt zum Positiven, zumindest aber schärft er das Bewußtsein des Lesers.
Im neunten Fall der im Jahre 2005 mit Die blaue Liste begonnenen Krimi-Reihe beschäftigt sich Wolfgang Schorlau mit der sogenannten „Griechenlandkrise“. Georg Dengler wird vom Berliner Auswärtigen Amt damit beauftragt, die verschwundene Mitarbeiterin Anna Hartmann zu suchen. Anna Hartmann beriet zum Zeitpunkt ihres Verschwindens die für die Griechenlandrettung zuständige Troika, also das wirtschaftliche Triumvirat aus Europäischer Zentralbank, Internationaler Währungsfond und Europäische Kommission. Gemeinsam mit seiner Freundin Olga (berühmt-berüchtigt für ihre Hackerfähigkeiten) sowie der neuen, jungen, nassforschen und schlagfertigen Assistentin Petra Wolff beginnt Georg Dengler die Ermittlungen, bei denen alle wichtigen verdächtigen beseitigt werden, bevor sie Dengler zu Rede stellen kann. Eine weitere Spur führt zum Geliebten Anna Hartmanns, dem griechischen Maler Petros. Waren private oder berufliche Gründe für die scheinbare Verschleppung Hartmanns auschlaggebend?
Georg Dengler und sein Team, das tatkräftig durch aus früheren Fällen bekannte Freunde und Georgs Sohn Jakob unterstützt wird, kommt durch einen Trick in Kontakt mit den Entführern, die geplante Geiselübergabe indes wird zu einem spektakulären Wendepunkt, der Dengler letztendlich auf die Fährte einer familiären Tragödie führt, deren Ursprünge in der deutschen Besatzungszeit Griechenlands liegen. Man hat die Schlagzeilen und Fotos griechischer Zeitungen, die, nach den für die griechische Bevölkerung einschneidenden Sparmaßnahmen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Nazivergleichen überhüften noch gut in Erinnerung. Ebenfalls die entrüstete Empörung von deutscher Seite. Folgt man Wolfgang Schorlaus Ausführungen in die deutsch-griechische Kriegsvergangenheit und bekommt das Ausmaß der Nazi-Gräueltaten (u.a. das hier aufgegriffene Massaker von Distomo) vor Augen geführt, ist die Angst der Griechen, wieder durch deutsche Mithilfe unterdrückt zu werden, nur allzu verständlich.
Neben einem fundierten Geschichtsexkurs bietet Schorlau in Der große Plan noch eine auch für Wirtschafts- und Finanzlaien gut verständliche Einführung in die perversen Auswüchse des grassierenden Kapitalismus, die auch dem letzten überzeugten Jünger des globalen Finanzmarktes zu denken geben sollten. Denn dass die Griechenlandrettung eine Bankenrettung war, sollte mittlerweile jedem klar sein. Und bei Systemmrettungen kennen die Wirtschaftsmächte scheinbar keine Skrupel. Seinen stilistischen Mitteln bleibt der Autor treu. Kurze Kapitel, schnelle (Orts)Wechsel, knackige Dialoge und sympathische Figuren mit einem in die Midlife-Crisis schlitternden Georg Dengler an der Spitze. Der große Pan, Denglers neunter Fall, ist das, was man in der Zwischenzeit von Wolfgang Schorlau erwartet und gewohnt ist: ein exquisiter Politthriller.
Wolfgang Schorlau: „Der große Plan“, Kiepenheuer & Witsch, Klappenbroschur, 448 Seiten, 978-3-462-04667-0, 14,99 € Beitragsbild: Der große Plan, Cover).