Was 2025 bringt: Eine Alben-Vorschau

Tocotronic by Noel Richter

2024 ist Geschichte – und schon richtet sich der Blick des Musikfans ins Jahr 2025. Eine Vorschau auf mit Spannung erwartete Alben, feste VÖ-Termine und mehr oder weniger begründete Spekulationen.

von Werner Herpell

Nach dem Musikjahr ist vor dem Musikjahr: Wenn all die Rückblicke und Jahresbestenlisten (hier nochmal die 2024er Favoriten von Sounds & Books-Chefredakteur Gérard Otremba) geschrieben sind, richtet sich der Blick schon wieder nach vorn. Was kommt da auf uns Fans guter Musik zu? Hier eine zugegebenermaßen subjektive Liste mit Alben, auf die wir uns freuen dürfen – oder auf die wir, glaubt man den VÖ-Gerüchten und begründeten Spekulationen, zumindest hoffen dürfen.

Mit Termin angekündigt

The Weather Station (17.01.2025)

Als „strahlend und treibend, diskursiv und seltsam“ wird das neue Album „Humanhood“ von Tamara Lindemann aka The Weather Station angekündigt. Wie auch immer: Wer den bisherigen Output der Kanadierin kennt, erwartet nicht weniger als ein weiteres Meisterstück an der stilistischen Schnittstelle von Indie-Folk, Sophisticated-Pop und Jazz.  „Zehn betörende Songwriter-Avant-Pop-Songs“ hörten wir vor vier Jahren bei Lindemans Durchbruch-Album „Ignorance“, danach folgte 2022 mit „How Is It That I Should Look At The Stars“ ein reduzierteres, ebenfalls brillantes Werk. Der Album-Vorbote „Neon Signs“ lässt erhoffen, dass The Weather Station ihre glanzvolle Serie fortsetzen.

Rufus Wainwright (17.01.2025)

Erst vor wenigen Monaten füllte er mit all seinem Charisma ganz allein an Klavier und Gitarre große Säle. Bei Solo-Auftritten ließ der Sänger und Songwriter eine fast 30-jährige Karriere Revue passieren, die 2023 mit der Folk-Duett-Platte „Folkocracy“ einen weiteren Höhepunkt erlebt hatte. Mit seinem „Dream Requiem“ ist Rufus Wainwright jetzt wieder als Klassik-Komponist unterwegs. Nach zwei Opern präsentierte der kanadisch-amerikanische Musiker im Juni 2024 bei der Pariser Uraufführung dieses mächtige Werk, das nun auf Tonträger erscheint. Orchester und Chöre, der Text der lateinischen Totenmesse in Szene, kontrastiert mit Worten des britischen Dichters Lord Byron – darunter macht es Wainwright diesmal nicht.

Chris Eckman (24.01.2025)

Noch so ein Kritiker-Liebling, der sich bereits im Januar anschickt, manche Jahresbestenlisten zu erobern. Der ehemalige Frontmann der Folkrock-Band The Walkabouts und langjährige Kreativpartner der kongenialen Sängerin Carla Torgerson im Duo Chris & Carla hatte mit „Where The Spirit Rests“ (2021) den Preis der Deutschen Schallplattenkritik geholt und kürzlich mit dem Vorab-Song „Genevieve“ bewiesen, dass er diese Top-Form locker halten konnte. Die geheimnisvoll raunende Baritonstimme und die atmosphärischen, sich viel Zeit lassenden Americana-Kompositionen des Wahl-Slowenen prägen auch das gravitätische neue Album „The Land We Knew The Best“.

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C Duncan (24.01.2025)

Der Name dieses schottischen Singer-Songwriters mag weniger geläufig sein als die vorherigen – das könnte (und sollte) sich aber mit dem fünften Album von Christopher (kurz C) Duncan ändern. „It’s Only A Love Song“ feiert in opulenten, aber immer kurz vor der Kitsch-Grenze abbiegenden Liedern … na klar, die Romantik von Liebesliedern und die Liebe selbst. „Fans des harmoniegetränkten Seventies-Songwriter-Pop mit orchestralem Anstrich“ können sich also freuen, kündigte Sounds & Books zum Titelstück an, das wir prompt zum „Song des Tages“ kürten. Wer die zeitlos grandiose Musik von Prefab Sprout, Brian Wilson oder dem jungen Scott Walker verehrt, liegt hier genau richtig.

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Manic Street Preachers (31.01.2025)

Auch die walisische Rock-Institution um Leadsänger/Gitarrist James Dean Bradfield und Bassist/Songschreiber Nicky Wire konnte mit einer Vorab-Single Anfang November bereits einen „Song des Tages“-Topspot besetzen. „Hiding In Plain Sight“ deutete an, dass die Manics bei den mal euphorischen, mal zornbebenden Hymnen früherer Platten andocken. Der Album-Klassiker „This Is My Truth Tell Me Yours“ (1998) mag das Highlight in der Diskographie des politisch klar links ausgerichteten Trios bleiben, mit dem bisher letzten Werk „The Ultra Vivid Lament“ von 2021 (inklusive Abba- und Elton-John-Referenzen) konnten die durchgeknallten Straßenprediger aber auch wieder überzeugen.

Sharon Van Etten & The Attachment Theory (07.02.2025)

Dass die einstige Indie-Folkpop-Sängerin aus New Jersey sich längst von ihrer Songwriter-Vergangenheit entfernt und einem elektronisch geprägten Rock-Sound zugewandt hat, wurde schon mit dem Vorgänger „Remind Me Tomorrow“ (2019) deutlich. Das Echo war trotz des riskanten Kurswechsels überwiegend positiv, so dass Sharon Van Etten sich ermutigt fühlen durfte, auch auf ihrem selbstbetitelten neuen Album mit der Band The Attachment Theory kühlere Klanggemälde im Stil der 80er zu entwerfen. Die Singles „Afterlife“ und „Southern Life (What It Must Be Like)“ – aufgenommen im legendären Club The Viper Room in Los Angeles – geben einen vielversprechenden Vorgeschmack.

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Tocotronic (14.02.2025)

Ihr bisher letztes Album erschien vor ziemlich genau drei Jahren, also wenige Wochen vor Beginn der fürchterlichen russischen Überfalls auf die Ukraine – und hieß „Nie wieder Krieg“. Tocotronic konnten diesen traurigen Hintergrund ihrer 2022er Platte natürlich nicht einkalkulieren, ein großartiges Statement war der Song- und Albumtitel dennoch. Ob es jetzt mit „Golden Years“ ähnlich ist, ob wir also „goldene Jahre“ vor uns haben? Man zweifelt ein wenig angesichts der politischen Vorzeichen wie Trump-Regierung und Rechts-Trend, lässt sich von den „Hamburger Schule“-Aushängeschildern um Dirk von Lowtzow und ihren neuen Liedern wie „Denn sie wissen, was sie tun“ aber gern mitreißen. 

The Delines (14.02.2025)

Wir hängen uns jetzt mal weit aus dem Fenster: „Mr. Luck & Ms. Doom“ wird – davon künden schon erste euphorische Reviews, etwa im renommierten Magazin „Uncut“ – Ende 2025 auf so manchen Bestenlisten zu finden sein. Der ehemalige Richmond-Fontaine-Sänger und erfolgreiche Roman-Autor Willy Vlautin und die fabelhafte Sängerin Amy Boone haben ihre Delines-Mixtur aus Folk, Pop, R&B und Cinemascope-Balladen mit oft traurigen, literarisch wertvollen Lyrics so perfektioniert, dass man als Americana-Fan aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Schon der Appetizer „Left Hook Like Frazier“ lässt keine Zweifel: Dieser linke Haken sitzt. Ein Country-Soul-Meisterwerk.

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Will Stratton (07.03.2025)

Auch bei diesem bisher zu Unrecht unter dem Radar gebliebenen US-Singer-Songwriter berechtigen die Vorboten des neuen Albums „Points Of Origin“ zu den schönsten Hoffnungen. Mit „I Found You“ und „Temple Bar“ nistet sich Will Stratton im Feld von aktuellen S&B-Favoriten wie Leif Vollebekk und Conor O’Brien (Villagers) sowie von Klassikern wie Jackson Browne, Bob Dylan oder Nick Drake ein. Wunderbar warmer, melancholischer Indie-Folkpop also, der an die hohe Liedkunst der 70er Jahre erinnert, ohne lediglich „retro“ zu sein. „Zehn Songs wie ein Roman, so dicht wie ein Schelmenroman von Thomas Pynchon“, so kündigt Strattons treues Label Bella Union sein definitives Meisterstück an.

Steven Wilson (14.03.2025)

Die Soloalben „To The Bone“ (2017) und „The Future Bites“ (2021) des Prog-Großmeisters waren bei vielen Genre-Puristen wegen ihrer Mainstream-Tendenzen umstritten (um es vorsichtig auszudrücken), beim breiten Publikum aber enorm erfolgreich. Mit „The Harmony Codex“ kehrte Steven Wilson 2023 lässig zu seinen Art-Rock-Wurzeln zurück. Das achte Studiowerk „The Overview“ soll nun „sein bisher wagemutigstes“ sein, besteht es doch aus nur zwei Tracks – beide vom Overview-Effekt inspiriert, den Astronauten erleben, wenn sie vom Weltraum aus auf die Erde blicken. Ein Album-Teaser lässt erahnen, dass Wilson wieder näher an die expansive Musik seiner bahnbrechenden Band Porcupine Tree heranrückt.

Japanese Breakfast (21.03.2025)

Michelle Zauner und ihr Indiepop-Projekt sind immer für eine Überraschung gut – daher wundert man sich auch nicht, dass Japanese Breakfast auf ihrer Single „Orlando In Love“ Richtung Barock-Pop unterwegs sind, sich also dem üppigen Sound von Weyes Blood annähern. „For Melancholy Brunettes (& Sad Women)“ sei „nach einem Jahrzehnt, in dem die Band das Beste aus improvisierten Aufnahmeräumen in Lagerhäusern, Wohnwagen und Lofts gemacht hat, das erste richtige Studioalbum“, erklärt das Label Dead Oceans. Noch dazu produziert von Grammy-Preisträger Blake Mills. Wir sind gespannt auf den versprochenen „romantischen Nervenkitzel einer Gothic Novel“.

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The Waterboys (04.04.2025)

Was für eine tolle Idee, warum ist da vor Mike Scott bloß noch keiner drauf gekommen? Der Chef der britischen Folkrock-Ikonen The Waterboys hat sich auf „Life, Death And Dennis Hopper“ einer Kultfigur der amerikanischen Filmgeschichte angenommen. Das Album – laut Scott „a rock’n’roll record, basically, and there’s a strong flavour of Americana, too“ („Uncut“ 01/2025) – wird von dem mächtig groovenden Vorab-Track „Hopper’s On Top (Genius)“ angekündigt. Dass der Schotte Scott Konzeptalben beherrscht, bewies er auf „An Appointment With Mr.Yeats“ (2011). Diesmal verbeugen sich US-Großkünstler wie Bruce Springsteen, Fiona Apple und Steve Earle mit ihren Beiträgen vor den Waterboys und Hopper.

Interessante Veröffentlichungen im Überblick

Doves (14.02.2025): Über 20 Jahre nach ihren Brit-Rock-Klassikern „Lost Souls“ (2000) und „The Last Broadcast“ (2002) kehrt das Trio aus Manchester mit „Constellations For The Lonely“ zurück und positioniert sich erneut irgendwo zwischen Radiohead, den Manic Street Preachers und Elbow.

Sam Fender (21.02.2025): Der neue Track „People Watching“, Mitte November veröffentlicht, wurde von Fender zusammen mit Adam Granduciel (The War On Drugs) produziert – und klang auch so. Für den im UK sehr erfolgreichen Sänger ist das Album „People Watching“ ein Schritt Richtung Weltruhm.

Panda Bear (28.02.2025): Angeteasert von den starken Vorab-Tracks „Defense“ und „Ferry Lady“, wird das neue Werk „Sinister Grift“ des Multiinstrumentalisten Noah Lennox aka Panda Bear sicher nicht nur von Fans seiner Stammband Animal Collective gespannt erwartet. Ganz bestimmt wieder schön bunt.

Bob Mould (07.03.2025): „Oberflächlich betrachtet handelt es sich hier um eine Gruppe von geradlinigen Gitarrenpopsongs“, sagt der frühere Hüsker-Dü- und Sugar-Frontmann über „Here We Go Crazy“. Dahinter brodeln freilich „Hyperaktivität und Hilflosigkeit, Ungewissheit und bedingungslose Liebe“.

Charlie Cunningham (14.03.2025): Die Single „Core“ deutet an, dass dieser Indie-Folk-Songwriter seine positive Entwicklung konsequent fortsetzt – und sich mit seinem nächsten Album „In Light“ aufmacht, die künstlerischen Höhen von Conor O’Brien (Villagers) und Sam Beam (Iron & Wine) zu erklimmen.

Butler Grant Blake (März): Seit längerem gibt der Engländer Bernard Butler (früher Suede) mit den Schotten James Grant (Love And Money) und Norman Blake (Teenage Fanclub) auf der Insel gemeinsame All-Star-Konzerte. Das Debüt des britischen Trios dürfte ein Singer-Songwriter-Fest werden.

My Morning Jacket (März): Mehr als 100 Demos übergaben Jim James und seine Band an den renommierten Produzenten Brendan O’Brien, nachdem vorherige Aufnahmen nicht erfolgreich gewesen waren. Mit dessen „frischen Inspirationen“ soll das Album der US-Folkrocker einen volleren Sound haben.

Lana Del Rey (21.05.2025): Titel des neuen Albums der US-Sängerin sollte zuerst „Lasso“ sein, was auf eine Country-Grundierung hinwies. Nun heißt es geheimnisvoll „The Right Person Will Stay“, und auch die Stilrichtung hat sich laut Del Rey geändert – von Americana zu einer Art „Southern Gothic“.

Nichts Genaues weiß man (noch) nicht

Jeff Tweedy: Was der Wilco-Mastermind mit seiner fantastischen Band, mit seinen Söhnen in der Tweedy-Band oder solo macht, interessiert Sounds & Books natürlich immer. Erste, sehr gute Song-Demos via Substack machen Hoffnung für ein neues Album des Meisters noch in diesem Jahr.

The Cure: Nach dem Triumph des 2024er Comeback-Werks „Songs Of A Lost World“ arbeiten Robert Smith und seine Band wohl schon an weiteren Alben. Das erste davon soll dieses Jahr erscheinen und bereits „quasi fertig“ sei, wie der bald 66-jährige Gruft-Pop-Sänger kürzlich verlauten ließ.

The Rolling Stones: Nach ihrer sensationellen Rückkehr mit dem Kritiker- und Fan-Liebling „Hackney Diamonds“ (2023) hatten Mick Jagger, Keith Richards & Co. anklingen lassen, dass es das immer noch nicht war mit neuen Stones-Alben. Schau’n wir mal, ob die alten Herren dieses Jahr wieder liefern.

Blondie: Sieben Jahre nach „Pollinator“ – und glatte 50 nach dem Start in New York City – waren Debbie Harry (79) und ihre legendäre Wave-Pop-Band 2024 wieder im Studio. Auf Instagram gab Gitarrist Chris Stein ein Schwarzweiß-Foto zum Besten – und schrieb: „Neues Blondie-Album nächstes Jahr.“

U2: „Wir sind kreativ in einer großartigen Verfassung“, sagte Gitarrist The Edge kürzlich in einem Interview. Und gab damit Spekulationen über das erste Album der irischen Stadionrocker seit „Songs Of Experience“ (2017) neue Nahrung. Mal sehen, was aus der „Flitterwochenphase“ von U2 noch wird.

(Beitragsbild: Tocotronic von Noel Richter)

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