Eine musikalische Hommage, die Portugals Revolution für Demokratie und Menschenrechte feiert: Das Projekt Wanderer Songs passt in unsere düstere Zeit.
von Werner Herpell
Dieses Album ist heute wieder erschreckend aktuell – und so wichtig mit seinem dahinter stehenden Appell für Demokratie, Menschenrechte und politische Ideale. Denn was sich vor gut 50 Jahren in Portugal ereignete, sollte doch vorbildlich sein für eine Welt, die derzeit erneut in Angst und Agonie zu versinken droht. Vorhang auf also für Wanderer Songs, ein Musiker-Kollektiv, das mit den 14 stilistisch breit angelegten Liedern (viel mehr als nur Fado!) von „Ao Vivo No Teatro Faialense“ die Wiedererlangung von Freiheit und Würde und damit einen stets möglichen Wandel zum Guten feiert.
Tribute-Album für Portugals Musik-Ikone „Zeca“
Rückblende. Am 25. April 1974 begann Portugals „Nelkenrevolution“, als eine linksgerichtete Befreiungsarmee der faschistischen Diktatur ein Ende setzte. Aufbruchssignal war ein Lied, das im Radio gespielt wurde: „Grândola Vila Morena“ vom Liedermacher José „Zeca“ Afonso, einer inzwschen längst ikonischen Figur der portugiesischen Geschichte (auf der Tribute-Platte als krönender Abschluss gesungen). Afonso starb am 23. Februar 1983 mit nur 57 Jahren an einer unheilbaren Nervenkrankheit. Wichtige Teile seines Katalogs wurden in den vergangenen Jahren auf dem Label Mais 5 wiederveröffentlicht.
Die Plattenfirma brachte anlässlich des Jubiläums der „Nelkenrevolution“ 2024 auf Initiative von Afonsos Sohn Pedro Musiker aus Portugal, Angola, Mosambik, Asturien in Nordspanien und von den Azoren zusammen, um das Erbe des legendären Künstlers ins 21. Jahrhundert zu tragen. Wie kam es zum Projekt-Namen Wanderer Songs? „Er war tatsächlich immer in Bewegung, immer am Laufen, ein unruhiger Geist“, sagt Lena Afonso über ihren Vater. „Er hat dabei das ganze Land kennengelernt, vom Norden bis zur Algarve im Süden. Deswegen sagt man in Portugal sehr häufig: Zeca: Andarilho (Wanderer) und Sänger.“
Wanderer Songs mit einer bunten Mischung
Dass dieser rastlose Künstler dabei nicht nur die Folklore Portugals erforschte, sondern auch Musik aus den ehemaligen Kolonien in seine Kompositionen aufnahm, macht die Mischung auf der live aufgenommenen Tribute-Platte so bunt und vielfältig. Neben dramatisch-melancholischen Balladen mit Fado-Verbindungen gibt es auf „Ao Vivo…“ auch rauen Indie-Gitarrenrock und afrikanische Klangfarben.
The Wanderer Songs Collective (so der offizielle englische Titel des Projekts) präsentierte im Teatro Faialense der Azoren-Insel Faial jene Songs, die José „Zeca“ Afonso in seinem letzten Konzert am 29. Januar 1983 in Lissabon gespielt hatte. Die Namen der beteiligten Musiker (unter anderem Selma Uamusse, PS Lucas, Nastio Mosquito, Nacho Vegas, Patricia Relvas und Roberto Afonso im Duo Lavoisier, Tiago Correia-Paulo) werden auch vielen Worldmusic-Fans nicht unbedingt etwas sagen – umso mehr ist diese wundervolle, hoffnungsvoll idealistische Hommage ein Fest für Entdecker. Und natürlich ein Song-Manifest gegen politische Willkür und Machtmissbrauch, heute so wichtig wie vor einem halben Jahrhundert.
Das Album „Ao Vivo No Teatro Faialense“ von Wanderer Songs erscheint am 14.03.2025 bei Mais 5/Broken Silence.