Wanda: Die Wiener Band im Interview

Wanda credit Tim Brüning

„Wir sind alle kleine, nackte Kinder.“ Über ihr selbstbetiteltes neues Album sprach Sounds & Books mit der Wiener Band Wanda

Die Band Wanda veröffentlicht am 30.09.2022 ihr fünftes Studioalbum, den selbstbetitelten Nachfolger des von uns an dieser Stelle rezensierten „Ciao!“. Im Interview mit Sounds & Books verraten Wanda unter anderem, wie sich das Gefühl innerhalb der Band über die Jahre verändert hat, welche Regeln auf einer Wanda-Tour gelten und warum ein Leben ohne Therapie zwecklos ist. Sounds & Books wünscht viel Vergnügen mit unserem

Wanda-Interview

Als ihr Anfang 2015 im Molotow gespielt habt, sagten einige nachher: „Die haben alles für eine große Karriere. Aber die packen‘s nicht, weil sie zu schnapsaffin sind.“ Jetzt feiert ihr dieses Jahr euer 10-jähriges Bestehen und veröffentlicht nächsten Monat euer fünftes Studio-Album. Wer oder was hat euch vor dem frühen Aus bewahrt?
Marco: „Damals waren wir in der Tat eine Exzess-Maschine. Auch weil wir in dem Gefühl gelebt haben, dass alles morgen schon wieder vorbei sein kann. Was uns gerettet hat, ist eine Ruhe, die irgendwann eingekehrt ist und die wir uns aber auch gemeinsam erarbeitet haben. Wir haben viel reflektiert, vor allem jetzt zuletzt in der Pandemie.“

Gibt es denn jemanden in der Band, der auf die anderen aufpasst und auch mal sagt: „Das reicht jetzt“?
Marco: „Eigentlich vertrauen wir uns da mittlerweile gegenseitig. Wir schauen da schon aufeinander. Aber es fällt inzwischen jedem von uns selbst auf, wenn es am Abend vorher zu viel war. Wir haben inzwischen aber auch schärfere Regeln als früher. Drogen sind zum Beispiel tabu. Und wenn es sein muss, dann bitte so, dass ich es nicht sehe. Ich will das nicht mitbekommen. Ich möchte, dass wir das noch lange, lange machen und dass diese Band so tief Teil meiner Lebensgeschichte wird, dass ich irgendwann auf zumindest eine Sache in meinem Leben zurückschauen kann, die von Dauer war. Es ist so vieles vergänglich, aber ich möchte, dass Wanda unvergänglich ist in meinem Leben.“

Tauscht man sich über den Umgang mit Rausch und Regenerationsmöglichkeiten eigentlich auch mit anderen Bands aus?
Marco: „Wir waren mal ganz am Anfang Support-Act auf einer Deutschland-Tour von Kraftklub. Mit Felix hatte ich mentorenartige Gespräche. Aber vieles mussten wir selbst lernen. Es gibt aus Österreich keine andere Band, die eine ähnliche Geschichte hatte, von denen wir hätten lernen können. Es gibt da einfach keine anderen Bands, die das alles in der Intensität und in der Geschwindigkeit erlebt haben wie wir.“

Es ist ja auch physisch anstrengend, eine Live-Show zu spielen. Macht ihr Sport auf Tour?
Marco: „Ja, schon mittlerweile.“
Valentin: „Unsere Shows dauern inzwischen immer über zwei Stunden und das Publikum will uns meist gar nicht gehen lassen. Dann ist die Frage: Wie oft gehen wir nochmal auf die Bühne? Das ist toll, aber natürlich auch anstrengend. Da musst du fit sein.“
Marco: „Es ist heute schon deutlich mehr Hochleistungssport als früher. Und du darfst nicht vergessen: Die Leute haben zwei Jahre Pandemie hinter sich. Ich könnte das jetzt gar nicht mehr mit mir vereinbaren, angesoffen auf die Bühne zu gehen. Das geht sich nicht mehr aus. Die haben uns in Hochform verdient.“

Wie läuft denn die aktuelle Tour?

Marco: „Großartig. Es gab bei uns nur ganz wenige Tickets, die zurückgegeben wurden. Und die Menschen haben gerade bei Gott nicht das viele Geld. Für uns ist diese Tour daher auch ein ganz großes Dankeschön an unser Publikum, das uns jetzt seit zehn Jahren die Treue hält.“

Ist denn die Energie in euren Konzerten nach zwei Jahren Pandemie heute eine andere?

Marco: „Auf jeden Fall. Es ist viel heftiger. Unsere Shows sind ein Schlachtfeld. Wenn ich ins Publikum schaue, sehe ich das Bier spritzen, die Leute springen, alle singen mit. Es hat jetzt zwei Jahre lang die Möglichkeit gefehlt, sich ohne Angst zu begegnen. Das spürt man.“

Aber habt ihr nicht auch manchmal Abende, an denen ihr euch reinarbeiten müsst, an denen es euch schwerer fällt, mit dem Publikum eins zu werden?
Manuel: „Das war vielleicht mal so. Aber im Moment ist das Gegenteil der Fall. Wenn wir auf die Bühne gehen, fühlt es sich so an, als wären wir eine Fußballmannschaft, die zur Halbzeit 5:0 führt und gefeiert wird. Es ist also alles andere als eingeschlafen.“

Valentin: „Jedes Konzert ist auch anders. Also ich zähle am Schlagzeug auch mal etwas schneller oder etwas langsamer ein. Ein Stück wie „Bologna“ klingt jeden Abend neu. Es ist nie langweilig.“

Könnt ihr begreifen, wo ihr gelandet seid?

Marco: „Das Erstaunlichste an unserer Geschichte ist, und das begreife ich jetzt erst so richtig, dass es sowas vorher in Österreich nicht gab. Vielleicht ist das in Deutschland viel selbstverständlicher. Aber für uns war das der Wahnsinn. Weil es keine Vorlage gab, an der wir uns hätten orientieren können. Wir alle mussten erstmal lernen und einordnen, was uns da passiert ist.“

Hat sich denn im Laufe der Zeit das Gefühl innerhalb der Band verändert?
Marco: „Also jetzt sind nur noch Leute dabei, die das lieben. Das gilt für die Band wie für die ganze Crew. Für mich war die Stimmung noch nie so familiär, so professionell und so magisch wie heute. Und ich sehe uns da auch als Team. Der Flow ist einfach da. Jeder hatte in den letzten zwei Jahren die Chance zu überlegen, ob er das wirklich weiter machen will.“
Reinhold: „Dadurch entsteht auch ein sehr intimes Gemeinschaftsgefühl. Wir tragen jetzt diese gut geölte Maschine von Stadt zu Stadt und es ist ein schönes, harmonisches Zusammenspiel inzwischen. Wir verstehen jeden einzelnen von uns, auch wenn der sich selbst mal nicht versteht. Das hat sich absolut eingespielt.“

Mal zur neuen Platte, die musikalisch wieder ein paar neue Seiten zeigt: Welche Einflüsse habt ihr diesmal verarbeitet?
Marco: „Ich kann über das Musikmachen gar nicht reden. Das ist mir unmöglich. Ich beneide Künstler, die ganz genau erklären können, wie sie das jetzt gemacht haben. Aber das könnte ich nicht. Ich habe eher das Gefühl, dass mir das so passiert. Ich habe keine Deutungshoheit darüber, was ich mache. Aber wir entwickeln uns und versuchen immer noch herauszufinden, was Wanda ist bzw. sein kann.“

Valentin: „Bei uns passiert das alles im Hier und Jetzt. Wir denken da nicht viel drüber nach. Es ist eher so ein Gefühl und passiert von alleine.“

Dirk von Tocotronic hat einmal gesagt, er hätte gerne besser Gitarre spielen gelernt, weil er manchmal nicht so gut umsetzen kann, was er fühlt oder sagen will. Kennt ihr das auch?
Marco: „Klar, das verstehe ich voll. Wir sind alle Rock’n’Roller. Wir sind halt auch limitiert. Wir sind nicht wirklich gute Musiker to be honest. Wir müssen mit dem, was wir können und das sich hoffentlich langsam verbessert, arbeiten.“

Auf „Niente“ ging es viel um Herkunft, Kindheit und Wurzeln. Auf dem neuen Album geht der Blick eher nach vorne. Ihr beschäftigt euch auch mit Themen wie Älterwerden, Vergänglichkeit und der Frage, was bleiben wird. „Va bene“ zum Beispiel hast du um ein Zitat deiner Mutter herum geschrieben. Was hast du von ihr übers Ältererden gelernt?
Marco: „Alles, was in dem Song steht. Meine Mutter ist Therapeutin und ich habe von ihr zum Beispiel gelernt, eine Therapie zu machen. Ich bin der festen Meinung, dass man nicht gesund älter werden kann, ohne eine Therapie zu machen. Das wäre meiner Meinung nach eine überholte Lebensart. Warum sollte man die größte geisteswissenschaftliche Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, das Unterbewusstsein, verwerfen? Und ich wollte mit „Va bene“, wie mit den anderen Texten der Platte übrigens auch, Mut machen. Das ist alles. Mund zwar mit viel Respekt davor, wie schwer es ist, in diesen Zeiten zu leben. Es ist schwer, jung zu sein. Es ist schwer, alt zu sein. Wir sind so zerfleddert und so getrennt voneinander, aber letzten Endes führen wir dasselbe Leben. Wir sind alle kleine, nackte Kinder.“

Wo ordnet ihr denn selber die Leute Platte ein in eure Diskographie? Welche Rolle spielt das Album in eurer Einschätzung?
Marco: „Seit Amore ist für mich jede Platte eine Übergangsplatte. Ich weiß aber nie, wohin. Schauen wir mal.“

Letzte Frage: Zu Hamburg habt ihr ein besonders Verhältnis, oder? Woher kommt die?

Marco: „Für mich sind diese Hamburger Seemannslieder dem Wienerlied sehr ähnlich. Alleine dadurch fühle ich mich hier schon wohl. Und Hamburg war eine der Städte, die uns von Anfang an das Gefühl gegeben haben, willkommen zu sein. Wir waren vor zehn Jahren irgendwelche Freaks und in Hamburg sieht man Freaks sehr gerne. Das passte also von Anfang an und hat sich auf die Dauer stabilisiert.“

(Beitragsbild: Wanda von Tim Brüning)

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