Wenig Rain, viel Shine beim Wacken Open Air 2024, dem bekanntesten Metal-Festival der Welt
Text und Fotos von Joaquin Alaaddin Avciogullari
Nach der Unwetterkatastrophe im Vorjahr, die das Festival die Hälfte seiner Besucher bei der Anreise kostete, durfte es dieses Jahr bei bestem, schon beinahe zu gutem Wetter endlich wieder in vollem Umfang losgehen. Zwar gehört der Mittwoch mittlerweile zum offiziellen Wacken-Programm dazu, wodurch eine frühere Anreise vieler Besucher zu erwarten war, doch blieb es am Dienstag noch vergleichsweise ruhig auf dem Gelände. Dies mag womöglich daran liegen, dass das Mittwochsprogramm, obwohl es nun fester Bestandteil ist, ähnlich wie 2022 und 2023 als der Mittwoch optional zusätzlich buchbar gewesen ist, auch dieses Jahr für viele vermutlich noch nicht allzu viel zu bieten hatte. Vor allem im Dorf machte sich diese Ruhe noch stark bemerkbar, waren doch die Verkaufsstände noch alle geschlossen und sowohl Anwohner als auch Besucher nur wenige zu sehen. Abgesehen von jenen, die sich im nächstgelegenen Supermarkt bereits mit dem nötigsten eindeckten.
Wasteland Warriors, Karaoke und Anekdoten
Auch wenn der Dienstag irgendwann sich sich doch in die Länge zu ziehen begann, so konnten Besucher zumindest bereits einen von vielen der jährlichen Cardrives der Wasteland Warriors bewundern, während sie ihre durch ein lautes Motorenkonzert begleiteten Runden über das Gelände drehen, ehe es wieder in das gleichnamige Wasteland zurückgeht. Neben Metal Karate und einem nächtlichen Karaokeabend im Landgasthof hatten die Besucher am Abend noch die Möglichkeit, einem Interview mit Anthrax-Frontmann Joey Belladonna zu lauschen. Zu hören gab es allerlei Anekdoten, unter anderem über seine ersten Berührungen mit Bands wie Iron Maiden und Judas Priest, sein Anfang bei Anthrax, sein Privatleben oder auch das im Januar erschienene neue Anthrax-Album. Im Anschluss hat Wacken-Mitbegründer Holger Hübner, hier als DJ Hüby die Besucher mit seinem Musikmix schon einmal auf die anstehenden Tage vorbereitet.
Suzie Quatro beim Wacken Open Air
Zum Auftakt am Mittwoch ging es als erstes zum jährlichen Auftritt der Wacken Firefighters, der ortsansässigen freiwilligen Feuerwehr, dessen Konzertbesuch für viele als Eröffnungsritual des Festivals zählt. Im Anschluss ging es zu den Japanern von Phantom Excaliver, die im vorigen Jahr den ersten Platz beim Wacken Metal Battle belegen konnten. Gespielt wurde eine Mischung aus Power Metal und Melodic Death Metal, wobei der übliche hohe Gesang des Power Metals, der in Sachen Höhe nur noch von der gegelten cartoon-artigen Frisur des Sängers übertroffen werden kann, hier weniger vertreten war.
Im Landgasthof konnte ein deutlicher Fokus auf die alte Schule festgestellt werden, indem man ein strammes Cover-Programm mit Nutellica, Iron Priest sowie Motörizer geboten bekam. Am Abend konnte die Elektro-Cellisten Tina Guo das Publikum mit einem Mix aus Film-und Videospielmusik begeistern, nachdem sie nach ihrem Auftritt mit Sabaton im Jahr 2019 vielen in Erinnerung bleiben konnte. Zum krönenden Abschluss des Abends trat eine Stunde später mit Suzi Quatro ein wichtiges Stück Musikgeschichte auf. Das fortgeschrittene Alter Quatros sowie das wenig überraschende Durchschnittsalter der Zuschauer änderte jedoch nichts daran, dass der Abend mit ihr einen energiegeladenen und stimmungsvollen Ausklang erleben durfte.
Wacken mit Mr. Big
Am Donnerstag konnte nun auch im Infield ein Fokus auf ein älteres und nostalgiebehafteteres Programm festgestellt werden. Begonnen hat der Tag mit Dio Disciples, der Dio Tribute-Band von Anthrax-Frontmann Joey Belladonna. Gefolgt von Konzerten des Wacken-Urgesteins Skyline und den diesjährigen Jubilaren Rage, ging es anschließend am Abend zu Mr. Big. Wer ihren Auftritt 2018 auf Wacken verpasst hat, wird nun womöglich eine der letzten Gelegenheiten gehabt haben, da sich die US-Rocker nach dem Ende ihrer aktuellen Tournee in den Ruhestand begeben werden. Nach „Take Cover“ und dessen ikonischen Intro in Gedenken an den 2018 verstorbenen Schlagzeuger Pat Torpey als Auftakt, ging es über zum Erfolgsalbum „Lean Into It“, welches nahezu in seiner Gänze gespielt wurde. Dabei durfte auch Paul Gilberts ikonisches Bohrmaschinensolo während „Daddy, Brother, Lover, Little Boy“ natürlich nicht fehlen.
Ein Rapper zwischen Accept und den Scorpions
Die folgenden Konzerte von Accept und den Scorpions vollendeten den Tagesfokus auf die alte Schule. Umso überraschender war es, dass sich am selben Tag auf einer der Hauptbühnen der Rapper Alligatoah eingeschlichen hatte, was im Vorfeld und während der Festivitäten auf viel Unverständnis und Skepsis, aber auch einen Hauch Neugier gestoßen war. Umso verwunderlicher, oder vielleicht auch gerade weniger verwunderlich war es daher, dass Alligatoah so viel Zulauf erfuhr, dass ein Einlassstopp für das Infield verhängt werden musste. Die Musik wurde zumindest auf das härter geschulte Ohr abgestimmt, was es für viele dann doch erträglicher machte. Dabei ist dies sogar nicht sein erster Wackenbesuch, so trat er bereits 2022 auf Wacken auf und 2019 zusammen mit Trailerpark bei Hämatom.
Aber auch die Scorpions konnten seit ihrer Headliner-Bekanntgabe im vorigen Jahr der vielen Skepsis und dem Unverständnis nicht entgehen, was sie denn nun auf Wacken zu suchen hätten. Dies änderte im Endeffekt jedoch nichts an der Tatsache, dass das Gelände so voll und unbegehbar wurde, wie bei kaum einer anderen Band. Trotzdem muss man sich anhand der vielen negativen Stimmen fragen, welcher Prozentsatz wirklich am Konzert interessiert war und wer nur auf „Wind Of Change“ und „Rock You Like A Hurricane“ gewartet hatte, wobei sich Zweiterer ohnehin vorab durch die unzähligen Tour-Ankündigungen auf den Monitoren in jedermanns Gedächtnis gebrannt hatte.
Abkühlung am Morgen
Am Freitag kam dann die erste langersehnte Abkühlung durch einen Schauer am Morgen, auch wenn dieser noch nicht für die beliebten und eigentlich obligatorischen Schlammschlachten ausreichte und von der Abkühlung am Nachmittag auch nicht mehr allzu viel zu spüren war. Am Nachmittag erstreckte sich beim Meet & Greet-Stand eine nahezu endlose Schlange bei Blind Guardian, die ihr Ende erst kurz vor Schluss fand. Anhand all der gespannten Gesichter der wartenden Leute und all jenen glücklichen Gesichtern, die am andern Ende die Treppe wieder runterspringen, wird sofort klar, dass die Warterei für niemanden ein Problem darstellt.
Bevor es für Blind Guardian abends dann auf die große Bühne ging, konnten sich Besucher der Wacken United Area noch bei einem von Magenta Musik initiierten Quiz unter Begleitung von Mitbegründer Thomas Jensen in ihrem Festivalwissen messen. Der United-Bereich war jedoch speziell für Pressevertreter, Musiker und all jene Besucher eingerichtet, die das nötige Kleingeld im dreistelligen Bereich übrig hatten, sich den Zutritt dazu zu buchen.
Krefelder Songschmiede in Wacken
Passend zum diesjährigen Thema „Witches & Warlocks“ hat sich um 20:30 gefühlt das gesamte Festivalgelände vor der Faster Stage zu Blind Guardian versammelt, um dem fantastischen Repertoire der Krefelder Songschmiede zu lauschen. So wurde im Sonnenuntergang gemeinsam der „Bard’s Song“ gesungen und das Ende zu „Valhalla“ bis in alle Ewigkeit über das Gelände schallen gelassen.
Im Anschluss trat mit Korn das Aushängeschild des Nu Metal auf und war in nahezu jedem Winkel des Geländes zu hören, ob man wollte oder nicht. Wer am Ende immer noch nicht genug hatte und sich noch nicht nach Schlaf sehnte, konnte um Mitternacht noch zu Avantasia gehen, dem einstigen Nebenprojekt von Edguy-Frontmann Tobias Sammet. Wobei sich diese Rollen über die Jahre verlagert haben und man sich mit jedem Avantasia-Auftritt auf Wacken immer wieder fragt, ob Edguy überhaupt noch existiert.
Mehr Rain, weniger Shine
Nach mehreren Tagen unzähliger Konzerte und täglichen Angeboten wie Metal Karate und Yoga, Karaoke, Wastenland Shows, Bruchenball-und Schwertkampfturnieren sowie Tanzworkshops im mittelalterlichen Wackinger Village bei bestem Wetter, kam am Nachmittag endlich die langersehnte Erfrischung.
Nachdem die britischen Warp Speed Warriors Dragonforce für ordentlich Stimmung und den wohl schnellsten Circle Pit sorgen konnten, bahnte sich pünktlich zum Konzertende während „Through The Fire And The Flames“ ein Unwetter durch die Flammen, das die Besucher und das Gelände die nächsten zwei Stunden mit Starkregen und einer dringend notwendigen Abkühlung versorgte und den Staubmassen ein Ende setzte. Vielen Freizeitvikingern machte dies jedoch nichts aus, standen sie doch freiwillig lange für ein Foto, Autogramm und ein kurzes Gespräch bei Amon Amarth an.
Gutes Festivalwetter in Wacken
Der Guss hielt zum Glück nicht zu lange an und verschonte die Böden noch soweit, dass sie nach wie vor ohne Gummistiefel passierbar blieben. In keinster Weise war dies jedoch vergleichbar mit 2017, als das Unwetter während des Festivals für Unterbrechungen, Stromausfälle und knietiefe Schlammgräben sorgte. Wenig später konnte der letzte Festivaltag dann ganz nach dem Motto „Rain or Shine“ und nun doch noch mit den beliebten Schlammschlachten fortgesetzt werden. Auch konnte der Schlamm die Besucher nicht davon abhalten, bei Amon Amarth im gleichmäßigen Takt zum Ausruf „Row !“ auf dem Boden sitzend kollektiv ein imaginäres Vikingerboot durch die schlammige See zu manövrieren.
Auch wenn die Hitze und Staubmassen einem gelegentlich zu schaffen machten, kann man rückblickend nur von einem idealen Festivalwetter sprechen. Weder war es zu heiß, dass es nicht mehr aushaltbar war, noch gab es Komplikationen durch Regenfälle und Schlammmassen, sodass sich voll und ganz auf eine weitere grandiose Ausgabe des wohl bekanntesten Metal-Festivals der Welt konzentriert werden konnte. Mit Vorfreude darf nun geduldig auf die nächste Ausgabe in 2025 gewartet werden. Ganz nach dem Motto:
„See you in Wacken – Rain or shine !“