Volker Kutscher: Märzgefallene – Kriminalroman

Die perfekte Fortsetzung einer der wichtigsten deutschen Krimireihen

von Gérard Otremba

Die Zeiten haben sich geändert. In Märzgefallene, dem fünften Fall um Kommissar Gereon Rath, ist der Kölner Autor Volker Kutscher im Jahre 1933 angekommen. Die Nazis sind an der Macht, Adolf Hitler von Reichspräsident Hindenburg zum Reichkanzler ernannt, und die Reichstagswahl am 5.3. steht vor der Tür. Während Gereon Rath im heimatlichen Köln nur mal Karneval feiern möchte und prompt mit Filmriss neben einer unbekannten Schönen aufwacht, plagt sich seine Verlobte und Kommissaranwärterin bei der Weiblichen Kriminalpolizei Charlotte „Charly“ Ritter in Berlin mit ihren der nationalen Erhebung sehr aufgeschlossenen Kolleginnen herum. Eine Ermittlung, die im Zusammenhang mit einem Mord an einem Obdachlosen am Nollendorfplatz steht, führt Charly in die Wittenauer Heilstätten, die ehemalige „Städtische Irrenanstalt zu Dalldorf“, um dort das junge Mädchen Hannah Singer zu befragen, eine Schlüsselperson in diesem Fall, die am Bülowplatz ein Feuer legte, dem einige Bettler und Kriegsversehrte zum Opfer fielen, darunter ihr Vater. Im Berlin des Jahres 1933 überschlagen sich die Ereignisse, der Reichstagsbrand hat die sofortige Rückkehr Gereon Raths nach Berlin zufolge, von Unmut begleitet muss er Verhöre mit vermeintlichen Kommunisten durchführen, statt sich der Mordermittlung zu widmen.

Mit dem Erscheinen des Kriegsteilnehmers Achim Graf von Roddeck auf der Bildfläche, der mit seinen autobiographischen, kurz vor der Veröffentlichung stehenden Romans „Märzgefallene“, eine Spur bis ins Kriegsjahr 1917 legt, nehmen die Nachforschungen Fahrt auf. Geschickt kombiniert der 1962 geborene Volker Kutscher die Kriminalstory mit den veränderten politischen Verhältnissen. Raths ungewöhnliche Ermittlungsmethoden werden von SA und auf Parteilinie getrimmte Vorgesetzte erschwert und bringen ihn und Charly in zahlreiche Konfliktsituationen. Der normalerweise eher unpolitische Gereon Rath glaubt wie wahrscheinlich viele andere zu dieser Zeit weiterhin an die Demokratie, der Satz „Es kommen auch wieder andere Zeiten“ fällt oft. Die Skepsis und Verwunderung seiner Verlobten Charly ob des „Neuen Deutschlands“ fällt bereits wesentlich radikaler aus. Noch wehrt sie sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die aufkommende Judenhetze- und Vertreibung, doch übernehmen Fassungslosigkeit und Ohnmacht nach und nach die Oberhand. Märzgefallene ist mehr als ein würdiger Nachfolger der bisher veröffentlichten Romane Der nass Fisch, Der stumme Tod, Goldstein und Die Akte Vaterland. Ein genuiner Blick ins Frühjahr 1933, impulsiv, lebendig, aber mit dem Schatten der deutschen Geschichte lebend. Eine perfekte Fortsetzung einer der besten und wichtigsten deutschsprachigen Krimireihen.

Volker Kutscher: „Märzgefallene“, Kiepenheuer & Witsch, Hardcover, 978-3-462-04707-3, 19,99 €.

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