Trümmer live im Hamburger Molotow – Konzertreview

Die Hamburger Band Trümmer schenkt dem Indie-Rock eine Sternstunde

von Gérard Otremba (Beitragsfoto: Christoph Voy)

Während andernorts die Menschen in 25-jähriger „Nostalgie“ baden, ist man in Hamburg auf dem Kiez schon viel weiter. Hier im Molotow wird am 09.11.2014 längst die neue „Revolte“ gestartet, hier setzt Sänger und Gitarrist Paul Pötsch „das Land in Brand“. Die Zukunft des Indie-Rock heißt Trümmer und die Zukunft ist jetzt. Ja, Trümmer sind in Hamburg und bestätigen bei ihrem Heimspiel im Molotow die berechtigten Lorbeeren, die sie für das selbstbetitelte Debütalbum überall einheimsten. Eine vollkommen zu Recht gehypte Band, die das Konzert mit dem salopp-polternden „Der Saboteur“ beginnt und mit „Macht“ mächtig Fahrt aufnimmt. Paul Pötsch, Bassist Tammo Kasper, Schlagzeuger Max Fenski und Gitarrist Helge Hasselberg rocken im Anschluss das Haus, dass es eine wahre Pracht ist. „Die Revolte“ lässig und doch ungemein dringlich, „5:30 Uhr“, ein neuer, rauer, kurzer und schneller Punk-Rock-Song und „Zurück zum Nichts“ erhält live noch mehr Opulenz, eine Rock-Hymne, die nach großen Hallen verlangt. Das Hamburger Quartett entfesselt einen wahren Furor auf der Bühne und nachdem Pötsch den Club „endgültig zur Tanzfläche“ erklärt und Trümmer mit „Straßen voller Schmutz“ und „Scheinbar“ („in der Danceversion“) die zwei an Franz Ferdinand erinnernden Songs spielen, sind spätestens alle Fesseln gesprengt und Fans und Musiker schwitzen um die Wette.

Die Euphorie ist hier bei Trümmer

Sogar das sonst mit so viel Pop-Charme ausgestattete „Papillon“ erfährt im Molotow seinen Rock-Charakter. Für „Schutt und Asche“ holen sich Trümmer ein Bläsersection zur Verstärkung auf die Bühne, eins von so unglaublich vielen brillanten, mit Indie-Hit-Potential ausgestatteten Songs, die bald als Klassiker in die Trümmer-Karriere eingehen werden. Die Temporeduktion für „In all diesen Nächten“ fangen Trümmer mit einem Mehr an Üppigkeit auf und „Nostalgie“ baut an einen geradezu epischen Hymnen-Status. Mit einem enthusiastischen „Wo ist die Euphorie?“ beenden Trümmer den Auftritt, ein Monstersong, der völlig losgelöst das „neue“ Molotow in seinen Grundmauern erschüttern lässt. Besser geht’s nicht. Den Zugabenteil eröffnen Trümmer mit dem Rabauken-Schrammelrock von „1000. Kippe“, spielen mit den Jungs von Lafote, die mit ihrem 20-minütigen Support-Gig Pluspunkte sammeln konnten, einen ungestümen Lafote-Punk-Rock-Song, bevor die „Morgensonne“ in all ihrer Pracht erblüht. Als Rausschmeißer noch ein ungezügeltes „Teenage Kicks“ von den Undertones und ein rauschhaftes und intensives Live-Erlebnis mit Trümmer findet leider ein Ende. Und während andere noch immer von nostalgischen Gefühlen besoffen durch die Nacht torkeln, wissen wir in Hamburg, „Nostalgie ist prinzipiell nicht zu ertragen“. Die Jugend hat mit Trümmer wieder ein Sprachrohr, das auch jung gebliebene Rock’n‘Roll-Semester anspricht. Die Mächtigen dürfen sich warm anziehen, denn „wir verlassen heute diese triste Welt, ich will gute Zeiten, schlechte hatte ich genug / Bald fliegt alles auf, bald endet der Betrug“. Ja, „wir sehen uns später auf den Barrikaden“, euphorisiert durch ein beeindruckendes Trümmer-Konzert.

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