Ambitionierte „Stories“ zu orchestralem Pop – bei Tom Hickox funktioniert das. Wer sich gern von opulenten Sounds überwältigen lässt, kann bedenkenlos zugreifen.
von Werner Herpell
Der Titel „The Orchestra Of Stories“ fasst bereits zusammen, was man als Hörer von diesem Album erwarten darf: eine mächtige orchestrale Klangkulisse für kleine und große Geschichten, die Tim Hickox mit voluminöser Storyteller-Stimme erzählt. Etwa die Fabel über einen Schuster, der immer wieder versucht, das perfekte Paar Schuhe zu kreieren, aber alle verwirft, bis sie sich zu einem riesigen Turm stapeln („The Shoemaker“). Oder die melancholische Moritat über einen trauernden Mann, der von einem falschen Hellseher um seine Ersparnisse betrogen wird („The Clairvoyant“). Oder die wahre Geschichte der Deutschen Marita Lorenz, die 1959, mitten im kubanisch-amerikanischen Konflikt, zur Geliebten des Revolutionsführers wird („The Failed Assassination Of Fidel Castro“).
Opulenter Pop, gepflegtes Pathos
Man sollte schon ein Faible für opulenten, auch mal
bombastischen Pop haben, um die aktuellen Kompositionen von Tom Hickox – Sohn des berühmten englischen Dirigenten Richard Hickox (1948-2008) – wirklich genießen zu können. Wer reduzierte, fragile Songwriter-Folk-Songs bevorzugt, könnte bei „The Orchestra Of Stories“ eher fremdeln. Die zehn Tracks werden allesamt vom Chineke! Orchestra – dem ersten Orchester Europas, das mehrheitlich mit schwarzen Musikern und ethnisch divers besetzt ist – sowie dem Bläser-Ensemble Onyx Brass zu cineastischer Dramatik aufgebrezelt. Und eine Vorliebe für Bariton-Gesang mit gepflegtem Pathos schadet auch nicht – Hickox ist kein Performer der schüchternen Sorte, er schmettert ähnlich selbstbewusst wie ein Scott Walker oder Roy Orbison.
Dass die „Stories“ dieses 44 Jahre alten Singer-Songwriters aus London nicht immer nur fiktiv sind oder weit zurück in der Vergangenheit liegen, zeigt sich in „Game Show“ – einem Lied, das mit Rundfunk-Samples an die Schurkere…