The Gaslight Anthem rocken die Reeperbahn

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von Gérard Otremba

In der seit Wochen ausverkauften Großen Freiheit 36 bewerb sich Chuck Ragan im Vorprogramm von The Gaslight Anthem als Nachfolger von Bruce Springsteen. Allerdings ohne die Opulenz der E-Street-Band. Mit Mundharmonika und Klampfe, sowie einem Waldschrat ähnlichen Geiger an seiner Seite, schrie sich der aus Florida stammende Songwriter beherzt die Seele aus dem Leib. Purer Rock`n`Roll mit reduzierten Mitteln. Ein perfekter Support für The Gaslight Anthem, den Springsteen-Epigonen aus New Jersey. In der Liga der ganz Großen spielen Brian Fallon (Gesang und Gitarre), Alex Rosamilia (Gitarre), Alex Levine (Bass) und Ben Horowitz (Schlagzeug) noch nicht. Doch scheint der Sprung in die nächsthöhere Klasse nur noch eine kleiner zu sein.

Die pure Kraft des Rock’n’Roll und die Liebe zum FC St. Pauli

Zu den Klängen von „Hells Bells“ (Gitarrist Rosamilia bekennt sich also nicht nur durch die auf der Bühne präsenten Vereinsflagge zum FC St. Pauli, auch der AC/DC-Einmarsch-Klassiker der Kiezkicker erweist dem Auftrittsort die Ehre) betreten die Mitglieder von The Gaslight Anthem den Saal und brettern mit „High Lonesome“ los. In den nächsten circa 100 Minuten knallten den Fans die Songs nur so um die Ohren. Ohne Atem zu holen peitschten sich Brian Fallon (dessen Stimme anfänglich nur spärlich auszumachen war) und seine Kumpels durch das Programm. Immer vorwärts, immer Druck aufbauend, roh, dynamisch, wild und impulsiv. Voller Spielfreude und vor Energie nur so strotzend und dabei immer ehrlich und authentisch bleibend. Da die einzelnen Songs von Gaslight Anthem kaum länger als drei Minuten dauern, kommt auch der Zuhörer trotz der großen Emphase kaum noch zum Luftholen. Drei balladeske Stücke („She Loves You“, „The Queen Of Lower Chelsea“ und das an U2-Pathos erinnernde “We Did It When We Were Young”) lassen Geist und Füße dann doch noch ruhen.

The Gaslight Anthem stehen kurz vor dem endgültigen Durchbruch

The Gaslight Anthem geben sich rotziger als vielleicht manch einer es nach dem Hören der neuesten und dritten CD „American Slang“ für möglich gehalten hat, hört sich deren Produktion teilweise wesentlich eingängiger als die Vorgänger an. Und manch einer vermutet sie schon gar im sogenannten Mainstream, was über die Qualität der Songs natürlich gar nichts aussagt. Vielleicht wollen The Gaslight Anthem aber exakt dorthin. In Songs wie „Bring It On“, „The `59 Sound“ oder eben im Titeltrack der letzten Platte, „American Slang“ ist die Bandzukunft hörbar. Die Hymnik dieser Rock`n`Roll-Songs zieht es förmlich in noch größere Arenen. Hier teilt sich die Gruppe nicht nur die Herkunft mit Bruce Springsteen. Auch musikalisch kommt sie dem „Boss“ immer näher. Noch klingen The Gaslight Anthem wie ungeschliffene Diamanten mit verdammt viel Potential, das auf „American Slang“ und während des Konzertes in der Großen Freiheit prächtig abgerufen worden ist. Es wird spannend sein, zu beobachten, ob und wann The Gaslight Anthem die nächste Stufe auf der Karriereleiter erklimmen werden. Der rote Teppich ist bereits ausgerollt.

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