The Felice Brothers live in Hamburg

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Nächtliches aus dem Uebel & Gefährlich

von Gérard Otremba

Es ist ein Abend der vorweggenommen Nachtklänge. Mit AA Bondy und Band im Vorprogramm und den Felice Brothers als Hauptact treten zwei ausgesprochen nachtwandlerisch klingende Gruppen an diesem tristen Dezemberabend im Hamburger Uebel & Gefährlich auf. Dort, wo sowieso schon die Lichter auf Halbmast brennen und schummrige Deckenbeleuchtung den direkten Nachbarn fast unkenntlich macht, spielen AA Bondy und die Felice Brothers den passenden Soundtrack zum Raum.

AA Bondy eröffnet den Abend mit düsteren Noir-Folk

Als erster also entführt der aus Alabama stammende AA Bondy das Hamburger Publikum ins nächtliche Vergnügen. Eigentlich ist es früher Abend, kurz nach 20 Uhr, aber der dunkle, sphärische Sound und Bondys nuschelnde, wie auf Valium wirkende Stimme evoziert bereits die tiefste Nacht. Manchmal rockt er mit seiner Band stoisch wie Neil Young mit Crazy Horse, doch sein Grundtenor bleibt verträumt, elegisch, düster und manchmal auch etwas störrisch. Letztendlich ein perfekter Auftakt in den Folk-Noir-Abend, der anschließend mit den Felice Brothers seinen Höhepunkt findet.

The Felice Brothers und ihr neues Album „Celebration, Florida“

Vielen Fans der ersten Stunde scheint das im Mai erschienene vierte Album „Celebration, Florida“, nicht gar so nah gegangen zu sein, wie die Vorgängerwerke. Natürlich verstören Ian und James Felice sowie ihre Mitmusiker Greg Farley, Christmas Clapton und David Turbeville die Americana-Folk-Puristen mit Loops, Drum-Machines und Keyboard-Elektronik. Doch fügen sich die Soundkaskaden genial in die alptraumhafte Stimmung des Albums. Düsternis und Verstörung herrschen auch bei ihrem Gig im Uebel & Gefährlich vor. Allein die Stimme von Ian Felice, irgendwo zwischen Bob Dylan und dem seligen Willy DeVille anzusiedeln, wird Melancholiker sicherlich nicht mehr zu Karnevalisten werden lassen. Mit dem Einsatz einer Fiddle und eines Akkordeons halten sich die Felice Brothers beide Optionen offen: traurige Schwermut und ausgelassene Folk-Rock-Laune.

The Felice Brothers geben sich der Nacht hin

Doch so sehr ein Song wie der von James Felice gesungene „Whiskey In My Whiskey“ geradezu zum Mitgrölen einlädt, wann kippt man sich schon Whiskey in den Whiskey? Eben, irgendwann nachts um halb drei. Dieser und zwei, drei andere Stücke erinnern in ihrer feucht-fröhlichen Art dann auch an die Pogues und die Waterboys, während „Fire At The Pageant“ so ein verstörender Song aus dem neuen Album ist, in dem auf Teufel komm raus herumgebrüllt wird und Harmonien unter der Erde verschwinden. Einen Polka-Rock-Flair vermitteln die New Yorker Felice Brüder bei „Honda Civic“ und geerdeten Stoner-Blues-Rock gibt es mit „Cus’s Catskill“ zu hören. Doch schon bei „Ponzi“ ist von Rock nichts mehr zu spüren. Ian Felice und seine Freunde geben sich endgültig der Nacht hin, stolpern durch die Dunkelheit, treffen auf Tom Waits und Jim Jarmusch, berauscht und benebelt. Mit dem majestätisch sich ausbreitenden „River Jordan“ begleiten die Felice Brothers das Publikum schon fast schmerzhaft in die Morgendämmerung. Nach uns die Sintflut. Die kommt in der leider einzigen Zugabe, „Run Chicken Run“. Mit ausgelassener Straßenkötermusik entlassen uns die Felice Brothers aus dem Uebel & Gefährlich. Die Nacht liegt noch vor uns, die Musik dazu haben wir eben vernommen.

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