The 1975: Notes On A Conditional Form

The 1975 Credit Mara Palena

The 1975: Vollendung der „Music For Cars“-Reihe durch viertes Studioalbum „Notes On A Conditional Form“

Die britische Band The 1975 intensiviert mit ihrem neuen Studioalbum „Notes On A Conditional Form“ die Präsenz synthetischer Klänge. Die Musiker um Frontmann Matthew Healy bedienen sich an diversen Genres, während ihr unverkennbarer Sound aus Schlagzeug, Gitarre und Synths nicht zu kurz kommt. Die Produktion komplettiert als Nachfolger von „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ die aus zwei Alben bestehende „Music For Cars“-Reihe. 

Von Greta Thunberg über Adderall bis hin zu einer Ode an die Bandmitglieder

The 1975 Notes On A Condional Form Cover Polydor Universal

Als bereits im Juli letzten Jahres das Intro zu „Notes On A Conditional Form“ veröffentlicht worden ist, staunte die Öffentlichkeit über die Zusammenarbeit mit der schwedischen Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg. Um der Klimakrise entgegenzutreten, ruft sie im Opening-Track „The 1975“ zum zivilen Ungehorsam auf. Als klimapolitisches Album will Healy „Notes On A Conditional Form“ aber dennoch nicht verstehen; dafür ist es auch zu vielschichtig. Während im einen Moment bluesige Intros erklingen, das nächste Lied irischen Folk bietet und im darauffolgenden Song rhythmisches Piano und synthetische Drums eindrucksvoll in Einklang gebracht werden, mag das vielleicht nach einer merkwürdigen Compilation klingen – dabei ist es das neue Album von „The 1975“.

Facettenreich sind nicht nur die musikalische Ansätze, sondern auch die Texte. „The Birthday Party“ handelt von Drogenkonsum und dem erforderlichen Beistand von Freunden, um von Adderall & Co. dauerhaft fern bleiben zu können. Derartige Freunde haben sich in Form von Bandkollegen an der Wilmslow High School gefunden. So bespielten die Briten bereits die Royal Albert Hall, waren Gäste bei Coachella und weiteren beeindruckenden Locations. In „Guys“ wird die Wertschätzung gegenüber den anderen Mitgliedern der Band formuliert: „The Moment we started a band was the best thing that ever happened“. Bei „Jesus Christ 2005 God Bless America“ hingegen, steht der Gewissenskampf gottgläubiger Personen im Mittelpunkt, die ihre gleichgeschlechtlichen Gefühle nicht öffentlich äußern können. Umso schöner die Metaphorik: „Soil just needs water to be, and the seed, so if we turn into a tree, can I be the leaves?“ Es passt, wenn man bedenkt, dass The 1975 im letzten Sommer aus Dubai verwiesen wurde, nachdem Matty Healy während eines Auftrittes deutlich wurde: „Wenn du schwul oder lesbisch bist, ich liebe dich! Und Gott liebt dich verdammt noch mal auch!“ Homosexualität steht in den Vereinigten Arabischen Emiraten unter Todesstrafe – das hielt den Frontmann aber nicht davon ab, einen männlichen Fan, vor den Augen aller, zu küssen. 

The 1975 führt das kreative, musikalische Denken fort

Anhänger der britischen Band, die auch nach ihrem dritten Studioalbum „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ keinem konkreten Genre zuzuordnen war, sehen sich mit „Notes On A Conditional Form“ in dieser Annahme bestätigt. Die Einschläge des Elektro-Pop sind deutlicher zu spüren denn je: Mit „Having No Head“ präsentiert „The 1975“ einen erfolgreichen Versuch, die Hörer instrumental über sechs Minuten zu unterhalten. Erreicht wird das durch einen raschen Wechsel inmitten des Tracks von Ambient-Sounds zu synthetischen Beats, die in ihrer Präsenz richtig dosiert sind. Ebenso werden Autotune-Elemente in diversen Liedern der bisher längsten Platte der Band intensiviert. Indes schaffen es Songs wie „Playing On My Mind“ den klassischen Indie-Vibe zu transportieren. Doch The 1975 ist schon lange mehr als nur Indie.

Beeindruckend unterstreichen das die mehrstimmigen Stücke „Nothing Revealed / Everything Denied“ und „Don’t Worry“. Hinzu kommt das punkige, an Royal Blood erinnernde Lied „People“. Die darin zu hörenden, präsenten Drums in Verbindung mit dem Fuzz der Saiteninstrumente, stellen einen großen Mehrwert für das Album dar. Warum der allgegenwärtige Rhythmus der britischen Band so erfolgreich ist, zeigt Schlagzeuger und Co-Writer George Daniel ebenfalls in Liedern wie „Tonight (I Wish I Was Your Boy)“. Dabei kommt es nicht auf Komplexität an, viel mehr um das Unterstützen des Songs. „Notes On A Conditional Form“ ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass sich das gemeinsame Songwriting von Sänger Healy und Drummer Daniel auszahlt. 

Andauernde Entwicklung um britische Synth-Pop Formation

Die öffentliche Meinung über die Band ist zwiegespalten. Während die Einen die Musiker inklusive des Songwriting als überbewertet beschreiben, ergreift die andere Seite Partei für The 1975 und behauptet, sie seien in vielerlei Hinsicht unterschätzt. Ihr viertes Studioalbum „Notes On A Conditional Form“ ist ebenso zweigeteilt: Zum Einen verschärfen die Briten ihren Faible für tanzbare, elektronische Sounds, während sie zum Anderen an genau dem festhalten was sie erfolgreich machte – der Symbiose von brillantem Schlagzeug, Synths und Gitarre. Letztlich bleibt anzuerkennen, dass The 1975 in der Entstehung ihres neuen Albums alles an Hüllen fallen lassen haben und als Folge dessen die vielleicht ehrlichste und privateste Platte präsentieren. Wie Healy in „Guys“ singt: „And I wish that we could do it again“.

„Notes On A Conditional Form“ erscheint am 22. Mai 2020 bei Dirty Hit / Polydor / Universal. (Beitragsbild von Mara Palena)

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