Sven Regener: Glitterschnitter – Roman

Sven Regener credit Charlotte Goltermann

Mit „Glitterschnitter“ taucht Sven Regener wieder in den Frank-Lehmann-Kosmos des Jahres 1980 ab und setzt gekonnt die „Wiener Straße“ fort

Nach „Herr Lehmann“, „Neue Vahr Süd“, „Der kleine Bruder“ sowie den beiden bei Sounds & Books rezensierten Büchern „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ und „Wiener Straße“ veröffentlicht Sven Regener mit „Glitterschnitter“ seinen nunmehr sechsten Roman seit 2001. Sprang der Sänger, Texter, Gitarrist und Trompeter von Element Of Crime nach seinem Debüt in der Zeit zurück und mit „Magical Mysterys“ wieder vor, spinnt er mit seinem neuen literarischen Werk den Plot von „Wiener Straße“ fort. Wir tauchen also wieder ein in Regeners Lehmann-Kosmos Ende des Jahres 1980.

Der Milchkaffee als Frank Lehmanns Obsession

Sven Regener Glitterschnitter Cover Galiani Verlag

Der aus Bremen nach Berlin gezogene Frank Lehmann weilt seit erst gut drei Wochen im Westteil der geteilten Stadt und wohnt mit Chrissie und den beiden Künstlern Karl Schmidt und H.R. Ledigt in einer WG über dem Café Einfall in der Wiener Straße in Kreuzberg, wo er sich als Putzhilfe verdingt. Aber Frank will den Job als Bedienung in der Frühschicht und möchte den in anderen Cafés Berlins schwer angesagten Milchkaffee auf der Getränkekarte durchsetzen. Der Milchkaffee wird Franks Obsession und sein Engagement bringt ihm tatsächlich eine Beförderung von Café-Besitzer Erwin Kächele ein. Dessen Nichte Chrissie schlägt sich mit ihrer immer noch zu Besuch weilenden und sie nervenden Mutter Kerstin rum, die im Verlauf des Romans zur Erkenntnis gelangt, ihren Freund Wiemer verlassen zu wollen. Dieser wiederum versucht als Manager alles, um seinen Schützling H.R. Ledigt auf der „Wall City“-Ausstellung unterzubringen. Der allerdings weigerst sich als Aktionskünstler das geforderte Ölbild zu malen.

Schillernde Künstler

Auf der „Wall City Noise“ auftreten möchten auch Ferdi (Synthesizer), Raimund (Schlagzeug) und Karl Schmidt (Bohrmaschine) mit ihrer Band Glitterschnitter, die Zuwachs durch die es mit der Wahrheit nicht immer ganz korrekt haltenden Lisa am Saxophon erhält. Und da ist noch die Künstlertruppe der „ArschArt“-Galerie um die beiden Österreicher P. Immel und Kacki, die sich herrliche Wortgefechte in an Shakespare angelehnter Sprache liefern und deren Kneipe „Intimfrisur“ vielleicht in ein Wiener Café umgestaltet wird, aber definitiv noch als Konzertraum zum Einsatz kommt, um die Macher der „Wall City“ von Glitterschnitter und H.R. Ledigt zu überzeugen.

Sven Regener erfindet die lustigste Chaoten-Truppe der jüngeren deutschen Literaturgechichte

Sven Regener hat mit den Protagonisten von „Der kleine Bruder“, „Wiener Straße“ und nun „Glitterschnitter“ die wohl lustigste und liebenswerteste Chaoten-Truppe der jüngeren deutschen Literaturgeschichte erfunden. Zu dem bereits bekannten Personal gesellen sich in seinem neuen Werk einige nicht minder illustre und schrullige, den Roman voranbringende Nebenfiguren. Regeners häufig ausschweifender Stil offenbart sich bereits im fünften Satz, wenn der Autor über eine Seite lang in die Gedankenwelt Frank Lehmanns eintaucht. Diese teils ellenlange Sätze, seine zugespitzten Dialoge sowie die überbordende Komik sind nach wie vor Sven Regeners unnachahmliche Stärken. Von Beginn an entwickelt der 1961 in Bremen geborene Musiker und Schriftsteller einen charmanten literarischen Taumel, in den man sich nur allzu gerne fallen lässt. Erneut ein großes Sven-Regener-Roman-Vergnügen.

Sven Regener: „Glitterschnitter“, Galiani Berlin, Hardcover, 480 Seiten, 978-3-86971-234-5, 24 Euro. (Beitragsbild von Charlotte Goltermann)  

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