Sven Amtsberg: Superbuhei – Roman

Hamburg-Rahlstedt, Hannover-Langenhagen, die Scorpions und ein kultiger Roman von Sven Amtsberg

Er heißt Stanislawski. Der Geschäftsführer des in Hannover-Langenhagen gelegenen Supermarktes „Superbuhei“ erhält von Sven Amtsberg ausgerechnet den Namen Stanislawski. Es ist eins von vielen kleinen Bonmots in Amtsbergs Debütroman, hat doch der ehemalige FC St. Pauli-Spieler- und Trainer Holger Stanislawski, der 2002 beim legendären „Weltpokalsiegerbesieger“-Spiel gegen den FC Bayern München in der Startelf des Hamburger Kultclubs stand und letztes Jahr als Experte während der Fußball-EM für das ZDF arbeitete, vor einigen Jahren im Hamburger Stadtteil Winterhude gemeinsam mit dem ehemaligen HSV-Profi Alexander Laas die Geschäftsführung der dortigen Großfiliale einer bekannten Supermarktkette übernommen.

Sounds & Books_Sven Amstberg_Superbuhei_Cover_Frankfurter VerlagsanstaltDer in Hamburg allseits bekannte Medienprofi Amtsberg erzählt die Geschichte in Superbuhei aus der Ich-Perspektive von Jesse Bronske. Bronske ist ein in Hamburg-Rahlstedt aufgewachsener, ehemaliger Germanistik-Student und betreibt seit vier Jahren in Hannover-Langenhagen die nach dem Scorpions-Sänger benannte Kneipe „Klaus Meine“. Das „Klaus Meine“ ist ein schmaler und enger, nachträglich an das „Superbuhei“ gesetzter Bau mit einem Tresen und acht Barhockern, in dem den ganzen Tag nur Scorpions-Songs laufen und Getränke wie „Grog You Like A Hurricane“ und „Gin Of Change“ verkauft werden. Es ist an die Supermarkt-Öffnungszeiten gebunden und täglich wartet die aus acht bis zehn Trinkern bestehende Stammkundschaft bereits morgens vor acht Uhr auf das Erscheinen von Kneipier Jesse Bronske. Der leibhaftige Klaus Meine war auch mal da, die Klitsche gefiel ihm weniger und nach einem Anwaltsschreiben heißt sie jetzt eben „Kleine Maus“. Aber immerhin ist Bronske eine Brieffreundschaft mit Meine geblieben.

Musik ist ein wichtiges Thema im Leben Bronskes. Von seinen Eltern erhielten er und sein Zwillingsbruder Aaron, die am Todestag von Elvis Presley das Licht der Welt erblickten, die Vornamen der Presley-Zwillinge (Elvis Presleys Zwillingsbruder Jesse starb bei der Geburt). Eine Liebe zum Hardrock und Heavy Metal entwickelten die Bronske-Twins ebenfalls, nur bei der Einschätzung der Scorpions-Musik divergierte ihre Meinung. Eine sehr lange Zeit hat Jesse von seinem ihm aufs Haar gleichenden Bruder nichts mehr gehört und gesehen, doch eines Tages ist er sich sicher, Aaron dränge wieder aus einem Schattendasein heraus in sein Leben ein. Ein Umstand, der eine anwachsende Paranoia in ihm hervorruft und seine Beziehung zu Mona, einer Kassiererin im „Superbuhei“, mit der Jesse in einer idyllischen Siedlung in der Nähe Langenhagens lebt, auf eine äußerste Zerreißprobe stellt.

Bis in die Nebenrollen belegt der in Hannover geborene und in Hamburg lebende Sven Amtsberg seine Figuren mit Schnurren und Schrullen. Amtsberg stattet sein literarisches Personal mit zutiefst berührender Tragikomik aus. Seine Protagonisten scheitern nicht am Leben, aber häufig an ihren eigenen Ansprüchen. Jesses Vater beispielsweise „wäre gerne Astronaut gewesen, Cowboy oder auch nur Pilot. Doch Vater war und blieb Vater, und das brachte ihn oft zur Verzweiflung.“ Ein Vater, der vieles ausprobierte und nichts Großes, wie ursprünglich geplant, hinterließ. Immerhin schmückte er sich mit dem Titel „Elvis von Rahlstedt“, aber eben „nur“ Rahlstedts. Für Jesses Nachbarn wiederum ist Langenhagen aufgrund seiner Hektik bereits „das Tokio Niedersachsens“. Für alle seine Helden und Antihelden lässt sich Sven Amtsberg in seinem Roman Superbuhei etwas Besonderes einfallen. Ein Roman mit schalkhaftem Humor und herzergreifenden Passagen. Mit Superbuhei findet Sven Amtsberg auf Anhieb seinen literarischen Platz zwischen Thees Uhlmann, Frank Schulz und Sven Regener.

Sven Amtsberg: „Superbuhei“, Frankfurter Verlagsanstalt, Hardcover, 360 Seiten, 978-3-627-00234-3, 24 €, Beitragsfoto: Gérard Otremba.   

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