Sunflower Bean live in Hamburg – Konzertreview

Sunflower Bean ist die Band der Stunde

Text und Fotos von Gérard Otremba

Keine Zugabe nach fünfzig Minuten? Egal! Manchmal ist in fünfzig Minuten alles gesagt. Wie an diesem ominösen 10.02.2016 in der vollbesetzten SkyBar des Hamburger Molotow. Zu Gast in der Hansestadt ist die New Yorker Band Sunflower Bean und das ist der aktuell heißeste und geilste Stoff, den der Indie-Rock zu bieten hat. Bei Sunflower Bean ist jeder Hype berechtigt und nach diesem Auftritt völlig verständlich.

sunflower bean molotow skybar 2016

Um das Publikum auf die Lautstärke einzustellen spielt im Vorprogramm von Sunflower Bean die Berliner Formation All The Ghosts. Das ganz in schwarz gekleidete Quartett spielt sich durch ein halbstündiges sehr lautes und schnelles, oder ein lautes und mächtiges und bombastisches Set aus Dark-Rock, Shoegazer-Rock, Post-Punk und Indie-Rock. Das ist dann der erste coole Vorbote des Tinnitus für den Morgen danach.

all the ghosts molotow skybar 2016

Denn ohrenbetäubend geht es mit Sunflower Bean weiter. Bereits das unlängst an dieser Stelle besprochenen Debütalbum Human Ceremony hat tiefe Spuren hinterlassen, das Konzert in der SkyBar des Molotow noch viel größere. Von Beginn an stürzen sich Sängerin und Bassistin Julia Cumming, Gitarrist und Sänger Nick Kivlen sowie Schlagzeuger Jacob Faber in ein wildes Abenteuer, das die Grenzen zwischen Pop und Rock verwischt. Pop und Rock sind für das junge und hippe New Yorker Trio nur Andeutungen, Variationen, Möglichkeiten mithin.

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Sunflower Bean bedienen viele Subgenres, Psychedelic-Pop, Space-Rock, Alternative-Rock, Indie- oder Garagen-Rock. Letztendlich ist es veritabler Underground-Rock auf dem Weg nach oben. Und wenn nicht alles schief läuft, sind Sunflower Bean bald ganz oben angekommen. Die fünfzig intensiven und energetischen Minuten im Molotow zeugen von einer dionysischen Hingabe des Trios, das mit Julia Cumming die jüngere Indie-Ausgabe einer Scarlett Johanssen als Aushängeschild bietet, die sich jedoch nicht explizit in den Vordergrund stellt, sofern es ihr Job nicht verlangt. Ihr Bass dröhnt, Nick Kivlen schickt seine Gitarre durch die Effektgeräte und Jacob Faber trommelt besessen auf die Drums. „Tame Impala“ mutiert so zur reinsten Rock-Dekonstruktion, monumental und gewaltig.

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„2013“ hebt in kosmische Sphären ab, der Monsterhit „Wall Watch“, jetzt schon ein Anwärter für die Songs-des-Jahres-Top-Ten-Liste, fegt wie ein Irrwisch durch den Club, zweieinhalb Minuten für die Ewigkeit. „I Was Home“ explodiert in alle Einzelteile und wenn Julia Cumming mit Engelstimme „Easier Said“ intoniert, findet das Konzert seinen erhabenen Pop-Moment. Laut, ungestüm und wild ist dieser dann immer noch, brachiale Ausbrüche folgen allerdings dann im abgefahrenen Psychedelic-Rock von „Space Exploration Disaster“. So funktioniert melodiöse Verwüstung mit formidablen Songs, ganz große Klasse. Sunflower Bean ist die Band der Stunde, wer braucht da schon eine Zugabe? Und der Tinnitus am nächsten Morgen verschwindet auch wieder.

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