Seit 40 Jahren ist Steve Wynn einer der besten und wichtigsten Musiker der US-Rockszene – wenn auch leider nicht einer der berühmtesten. Jetzt legt er mal wieder ein Solo-Album vor.
von Werner Herpell
Es war nicht immer einfach, den verschlungenen Karriere-Pfaden des wunderbaren Menschen und großartigen Rockmusikers Steve Wynn zu folgen (der sich zu allem Überfluss seinen Namen auch noch mit einem weit weniger wunderbaren und großartigen, dafür aber steinreichen Spielcasino-Unternehmer aus Las Vegas teilen muss).
Zahllose Bands, Projekte und Solo-Werke
The Dream Syndicate, Danny & Dusty, Gutterball, Smack Dab und The Baseball Project – so hießen die Bands oder Kooperationen, in denen der inzwischen 64-jährige (und viel jünger wirkende) US-Amerikaner eine Hauptrolle spielte. Hinzu kamen die Zeit als Frontmann der Miracle 3 zusammen mit Ehefrau und Drummer-Queen Linda Pitmon sowie Über-Gitarrist Jason Victor (drei fantastische Studioalben zwischen 2003 und 2010) plus rund ein Dutzend Solo-Platten in den vergangenen 35 Jahren. Beim Erwerb eines hochverdienten höheren Bekanntheitsgrades hat diese Flexibilität (oder Sprunghaftigkeit?) vermutlich nicht geholfen.
Jetzt also, nach der bejubelten Wiederbelebung seiner ersten Band The Dream Syndicate seit 2017, wieder mal ein Wynn-Werk unter eigener Flagge – und natürlich ist es wieder sehr gut, auch wenn man auf „Make It Right“ keine ganz neuen Seiten dieses konstant herausragenden Musikers entdeckt. Wie der geschätzte Sounds & Books-Kollege Ullrich Maurer in einem langen Interview erfuhr, stellte der seit längerem in New York lebende gebürtige Kalifornier dafür überwiegend Stücke zusammen, die er im Laufe der Jahre gesammelt und nicht veröffentlicht hatte.
Songs zwischen Kalifornien und New York
Der Opener heißt „Santa Monica“, ist also nach der kalifornischen Stadt bei Los Angeles benannt, wo vor gut 40 Jahren seine Karriere begann, und der einzige Track, den Wynn für „Make It Right“ ganz neu schrieb. Das Gegenstück: der Closer „Roosevelt Avenue“, nach der Straße in Jackson Heights/Queens, wo der Künstler inzwischen lebt – eine ins Schrammelig-Noisige driftende Jam-Session, die die teils chaotische Atmosphäre in diesem New Yorker Stadtteil musikalisch einfangen soll.
Wesentlich weicher und harmonischer klingt hingegen „Cherry Avenue“, Wynns Hommage an eine Straße in Long Beach, seine einstige Heimat. Andere Songs von „Make It Right“ sind Outtakes früherer Projekte oder auch Soundtrack-Arbeiten. Wie gut dieser längst legendäre Psychedelic-/Folkrock-Musiker in der US-Szene vernetzt ist, zeigt ein Blick auf die Gästeliste des Soloalbums: Mike Mills (R.E.M.), Vicki Peterson (The Bangles), Chris Schlarb (Psychic Temple) und Emil Nikolaisen (Serena Maneesh) sind dabei, natürlich auch wieder die fabelhafte Schlagzeugerin/Background-Sängerin Pitmon, und andere.
Steve Wynn will immer noch besser werden
Steve Wynn ist durchaus bewusst, dass sein stetiges Streben nach neuen Ufern nicht unbedingt lukrativ ist. „Na ja, jemand, der eine solide Karriere im Hinterkopf hat, würde ja vielleicht immer und immer wieder das Gleiche machen – in der Hoffnung, dass es irgendwann erfolgreich ist“, sagte er im Gespräch mit Ullrich Maurer in New York. „Die meisten Songwriter schreiben ihr bestes Material dann, wenn die Musik das Wichtigste in ihrem Leben ist. Deswegen stagnieren viele Kollegen auch dann, wenn sich die Perspektive in Richtung Familie, Kinder, Gesundheit und die finanzielle Sicherheit ändert. So bin ich aber nicht. Ich betrachte das nicht als Job oder Gewohnheit – mein Ziel ist es, den nächsten Song, den ich mache, immer ein bisschen besser zu machen als den zuvor, und das geht nur, wenn man etwas wagt.“
Sehr ehrenwert – und im Falle von „Make It Right“ mit dem Ergebnis eines erneut starken Singer-Songwriter-Werks. „Nächstes Jahr will ich zum Beispiel ein Album mit einer populären Band in Italien aufnehmen“, kündigt Wynn im S&B-Interview an. „Was ich aber auch machen will, sind mehr Solo-Scheiben. Ich habe vor langer Zeit damit aufgehört – weil die Sache mit The Dream Syndicate so gut gelaufen ist. Wir haben ein Erbe und eine Geschichte zu repräsentieren. Ich mag das Baseball Project – weil das meine Freunde sind und wir eine gute Zeit miteinander haben. Aber auf der kreativen Seite finde ich Solo-Platten am spannendsten. (…) Ich möchte gerne etwas Einzigartiges und Besonderes machen.“
Das Album „Make It Right“ von Steve Wynn ist am 30.08.24 bei Fire Records erschienen – zeitgleich mit der Autobiographie „I Wouldn’t Say It If It Wasn’t True“ bei Jawbone Press. (Beitragsbild von Ullrich Maurer)