Stephen Stills: Carry On

Schmucke Stephen Stills-Box

von Gérard Otremba

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Im Gegensatz zu seinem Weggefährten Neil Young ist Stephen Stills nie zur echten Ikone geworden. Kann sich der kanadische Kollege zum Beispiel als „Godfather of Grunge“ rühmen, hat Stills, trotz vieler gemeinsamer Jahre, nie ein bestimmtes Markenzeichen abbekommen, obwohl zumeist federführend bei Crosby, Stills und Nash. Dafür und als Mitglied von Buffalo Springfield ist er immerhin an einem Abend gleich zwei Mal in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen worden. Mit beiden Bands war der mittlerweile 68-jährige Amerikaner natürlich stilprägend in den 60er- und 70er Jahren.

Stephen Stills und die Buffalo Springfield-Jahre

Das just erschienene, vier CDs starke Box-Set beginnt mit dem Song „Travellin‘“, einer bisher unveröffentlichten Solo-Akustiknummer aus dem Jahre 1962, des damals 17-jährigen Stephen Stills. Da haben Graham Nash und Joel Bernstein, die Herausgeber der Box, wohl lange suchen müssen, um auf dieses in San Jose, Costa Rica, aufgenommen Fundstück zu stoßen. Einfacher war es dann mit dem Stück „High Flyin‘ Bird“ der Combo The Au Go Go Singers, für die Stills als Gitarrist fungierte und 1964 die Platte „They Call Us Au Go Go Singers“ erschien. Die Edd Wheeler-Komposition klingt hier wie für einen Quentin Tarantino-Soundtrack geschaffen. Ebenfalls Mitglied bei den Au Go Go Singers war Richie Furay und gemeinsam mit Neil Young, Bruce Palmer und Dewey Martin gründete Stills die Band Buffalo Springfield, die in ihrer kurzen Phase zwischen 1966 und `68 immerhin drei Alben veröffentlichte. Angeblich war die Band nie wirklich in der Lage, die Kraft ihrer fulminanten Konzerte auf Platte zu bannen. Jedoch ist das mal wieder Jammern auf sehr hohem Niveau, wie die Stills-Songs „Sit Down I Think I Love You“, „For What It’s Worth“, „Bluebird“, oder „Questions“ beweisen. Und Kollege Young hatte ja auch schon einige großartige Songs beizusteuern. Der Einfluss von Buffalo Springfield auf den Country-Folk-Rock war nicht minder wichtig, als der von den Byrds, The Band und Gram Parsons. Aber zwei scheinbar so stark ausgeprägte Egos wie die von Stills und Young, die um das Bandkommando buhlten, waren einer zuviel.

Crosby, Stills, Nash & Young sowie die Soloplatten

Aber ohne einander ging es dann auch wieder nicht, wie die Formation Crosby, Stills, Nash & Young zeigte. Diese Konstellation brachte ewigen Ruhm und gilt immer noch als eines der Vorzeigeobjekte der Hippiezeit. Ihr zweiter Live-Auftritt war dann gleich vor 500 000 Zuschauern beim legendären Woodstock-Festival. Den im Vorprogramm der Rolling Stones im gleichen Jahr in Altamont, als der Gast Meredith Hunter von einem als Ordner engagierten Hells Angel erstochen wurde, hätten sie sich sicherlich gerne erspart. Doch jene Jahre, egal ob mit oder ohne Young, begründeten den Ruf von Stephen Stills als Komponisten und Instrumentalisten, mit Hauptaugenmerk auf die Gitarre, diverse andere Instrumente wie Schlagzeug, Bass, Piano und Percussion spielte Stills dann schon gerne auch mal selbst ein, wie auch auf den Solowerken der frühen 70er Jahre nachzuhören . Herausragend natürlich die Harmoniegesänge der Herren Crosby, Stills und Nash und die wunderbaren Lieder dazu, wie „Suite: Judy Blue Eyes“, „Carry On/Questions“ und „Love The One You With“. Songs seiner ersten Soloplatten („Stephen Stills“, „Stephen Stills 2“, „Manassas“ und „Down The Road“) bilden einen weiteren essentiellen Teil dieser schmucken kleinen Box, immer wieder mit bisher unveröffentlichtem Material garniert. Doch die große Phase des Stephen Stills endete mit Ablauf der 70er Jahre, das Output wurde rarer, die Songs bedeutungsloser. Erfreuliche Ausnahmen sind da die Alben „Stills Alone“ und „Man Alive!“, die auf „Carry On“ folgerichtig ebenfalls im Mittelpunkt stehen. Und immer wieder eingestreut die previously unreleased tracks, wie die Dylan-Nummer „Girl From The North Country“, eine berührende Crosby, Stills & Nash-Live-Aufnahme aus dem Jahre 2012. Brandaktuell also und die in Ehren ergrauten Crosby und Nash brillieren stimmlich noch immer. Wie schön, dass die drei im Juni und Juli zu einer ausgedehnten Tour nach Deutschland kommen. Und die CD-Box „Carry On“ von Stephen Stills dient bis dahin für die Sammler als Blaupause und als perfekter Einstieg für alle Neuhörer.

„Carry On“ von Stephen Stills ist am 22.03.2013 bei Rhino / Warner Music erschienen.

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