Stephanie Zibell: Um das Feuer in euch zu entfachen 

Stephanie Zibell by kathrein_w

Stephanie Zibell sammelt die Biografien und Motivationen emanzipierter Frauen

„Um das Feuer in euch zu entfachen“ ist der Titel dieser Sammlung weiblicher Biografien und zugleich das Zitat aus einer Rede von Josephine Baker. So auch sind die einzelnen Einträge aufgebaut: ein Interview oder eine Rede der Frau und dazu ihre biografischen Eckdaten. Ob sich das Buch auch für eine männliche Leserschaft eignete, wurde die Autorin in einem Interview gefragt. Die Frage allein beweist wie weit der Weg noch ist, den wir für ernsthafte Gleichberechtigung zurücklegen müssen. Der Band ist eine Sammlung gesellschaftsrelevanter Themen: Frauen haben für Bildung, Gleichberechtigung, für Frieden, Würde und Selbstbestimmung gekämpft. Ja, das ist ein Buch, das von allen gelesen werden sollte. Vor allem von jenen, die meinen, dass schon alles geschafft wäre.

Der lange Kampf um die Gleichberechtigung

In einem der letzten Einträge geht es um die japanische Bergsteigerin Junko Tabei, die als erste mit einem reinen Frauenteam den Himalaya bestieg. Für viele Lesende kann sich der Kampf um Gleichberechtigung ähnlich anfühlen. Junko Tabei schaffte es 1975 auf den Gipfel des höchsten Berges und errang sich Anerkennung innerhalb einer Gesellschaft, die Frauen lediglich einen Platz in der Küche und als Mutter zugestand. Bereits 110 Jahre vor Tabeis Erfolg kämpfte Maria Mitchell für Gleichberechtigung und gleiche Bildungschancen. Sie war die erste Astronomie-Professorin im Jahre 1861 in den USA, nachdem sie bereits mit 17 Jahren eine Schule für Mädchen aller Ethnien gegründet hatte. Damals ein absolutes Novum.

Über den weißen Tellerrand hinaus schauen

Zibell Um das Feuer in euch zu entfachen Cover

Dass die Entwicklung und das Wohl einer Gesellschaft mit der Bildung aller Bürger*innen einher geht, ist also keine ganz neue Erkenntnis mehr. Und dass nicht nur weiße Frauen Teil der Emanzipationsbewegungen sein sollten, findet spätestens mit dem Begriff der Intersektionalität in die deutsche Debattenkultur Eingang. „Nehmt mein Kleid und gebt mir eure Hose“, rief Mary Muthoni Nyanjiru in Kenia als sie im Kampf gegen das herrschende Zwangsarbeitssytem für jungen Mädchen und Frauen zum Sturm auf ein Gefängnis rief. Keiner der anwesenden Männer hatte sich getraut, also kämpfte sie gegen die weiße, männliche Vorherrschaft und bezahlte dafür mit ihrem Leben.

Einige Jahre später schrieb eine Amerikanerin ein Buch, das sich gegen die Unabhängigkeit Indiens aussprach. Die Frau aus dem Westen glaubte zu wissen, dass die indische Gesellschaft rückständig sei und Frauen unterdrücke. Daraufhin reiste die indische Dichterin und Politikerin Sarojini Naidu 1928 nach New York und erklärte, dass sie als Botschafterin eines sehr alten Landes zu ihnen spreche, zur jüngsten Nation der Welt und dass „die Frau Quelle und Inspiration dieser [indischen] Kultur ist“.

Stephanie Zibell zeigt, dass vor allem Frauen und Minderheiten für demokratische Grundpfeiler kämpfen

Westliche Demokratien schwelgen bis heute gerne im Gefühl anderen Ländern und Kulturen überlegen zu sein. Dennoch war es eine kleine Sensation, als im deutschen parlamentarischen Rat 1948 von 65 Mitgliedern vier Frauen waren. Dort ging es um nicht weniger als die Grundlage einer neuen politischen Ordnung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Ende stand das Grundgesetz, in dem man zwar die Gleichheit von Mann und Frau in Artikel 3 festhielt, aber Gleichberechtigung herrschte natürlich mitnichten. Für Gleichberechtigung und damit grundlegende demokratische Prinzipien traten schon immer vor allem Frauen und Minderheiten ein.

Stephanie Zibell motiviert

Herta Ilk und Elisabeth Schwarzhaupt plädierten im Jahr 1957 dafür, dass der „Gehorsams-Paragraph“ aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch wegfallen müsse. Ganze zwanzig Jahre hat der deutsche Staat, vielmehr haben die deutschen Parlamentarier gebraucht, die Arbeits- und Aufgabenteilung innerhalb der Ehe aufzuheben. (Der Paragraf bedeutete, dass die Frau für den Haushalt zuständig war und dem Mann im Bezug auf die Wohnortwahl gehorchen musste.) Dass es dann weitere 20 Jahre brauchte bis man die Vergewaltigung in der Ehe 1997 nach viel Widerstand der Konservativen als Straftatbestand einführte, spricht weiterhin für sich. Die Liste der Diskriminierung von Frauen und vor allem queeren Menschen ließe sich bis heute fortsetzen.

Als Nachschlagewerk eignet sich die Sammlung gut, auch als Motivation weiter zu kämpfen und als Aufforderung den eigenen Horizont über den weißen Tellerrand hinaus zu erweitern. Auch unterhaltend sind die Texte geschrieben und mit teilweise vielen, amüsanten Anekdoten gespickt.

Stephanie Zibell: “Um das Feuer in euch zu entfachen – Bedeutende Worte beeindruckender Frauen”. Verlagshaus Römerweg, 2022, Hardcover, 276 Seiten, 978-3-7374-1190-5, 26 Euro. (Beitragsbild-Credit: Fotostudio @kathrein)

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