Gute Gedanken mit Staring Girl: Die Americana-Folk-Rock-Band gastierte am 04.01.2025 beim Heimspiel im Hamburger Knust
Text von Gérard Otremba, Fotos von Niko Schmuck
Wahrscheinlich war es Zufall, dass nach „Red Right Hand“ von Nick Cave & The Bad Seeds ausgerechnet „Impossible Germany“ von Wilco aus den Boxen im Knust erschallte. Als Rausschmeißer nach einem Konzert gänzlich ungeeignet, vielmehr lädt dieser Geniestreich der Chicagoer Band (einer von sehr vielen Wilco-Geniestreichen) zum Verweilen und Genießen ein. Aber es passte nun mal so verdammt gut, schließlich beendeten Staring Girl ihren Auftritt am 04.01.2025 wenige Minuten zuvor mit „Schwarz zu Weiß“, bei dem Gunnar Ennen mit dem feinsten Gitarren-Solo jenseits von Nels Cline brillierte. Wie schon vor zwei Jahren an gleicher Stelle, als die Hamburger Band ihr damals just erschienenes neues Album „Schräg fällt das Licht“ an gleicher Stelle vorstellte (Sounds & Books berichtete), bildete „Schwarz zu Weiß“ den krönenden Abschluss eines wunderbaren Abends, mithin wieder der perfekte Anlass für den Konzertsaisonbeginn bei Sounds & Books.
Ove als Staring-Girl-Support
Pünktlich um 21 Uhr eröffnete Ove Thomsen, aka OVE, den Abend, bei S&B zuletzt als Support von Husten positiv in Erscheinung getreten. Der Hamburger Musiker spielte solo erneut einige neue und immer noch unveröffentlichte Songs wie „Schmetterlinge im Kopf“, das schnelle „My Time To Shine Is Offline“, das von ihm als „ausbaufähiges“ Lied betitelte „Strudel“ sowie als Closer „Vor dem Spiegelschrank“, das früher mal „Ekstase“ hieß. Thomsen erwies sich einmal mehr als Wortakrobat mit sehr viel Sprachwitz, dessen Texte viel Hintersinn zwischen Privatem und Politischem offenbarten. Immer wieder ein Vergnügen, ihm zuzuhören.
Aus der Staring-Girl-Frühphase
Gilt auch für Staring Girl. Die Mitte der Nuller-Jahre von Sänger und Gitarrist Steffen Nibbe in Kiel gegründete Formation veröffentlichte 2012 das Debütalbum „Sieben Stunden und 40 Minuten“, sechs Jahre später folgte „In einem Bild“ und 2023 eben „Schräg fällt das Licht“. Gemeinsam mit Gunnar Ennen (Gitarren, Tasten, Bass), Jens Fricke (Gitarre, auch mal Bass), Frenzy Suhr (Bass, auch mal Gitarre) und Schlagzeuger Lennart Wohl bestellt Nibbe das Americana-Songwriter-Folk-Rock-Feld zwischen Wilco, Neil Young, Jackson Browne, Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen, der einst das Staring-Girl-Lied „Jeder geht allein“ coverte. „Jeder geht allein“ war die erste Zugabe beim Auftritt im Knust und neben „Die guten Gedanken“ der einzige Song aus der Frühphase der Band.
Songs des aktuellen Albums
Im Mittelpunkt stand das aktuelle Werk, das bis auf „Treppenhaus“ komplett geboten worden ist. Das vom lyrischen Gitarrenspiel Frickes dominierte „Farben“ als Auftakt, „Menschen in Geschichtsbüchern“, das filigrane Lied über das Nichtstun, das wunderschön-melancholische „Plattenweg im Sommer“, das düstere, aber hoffnungsvolle „Leuchten“ und im Endspurt das fiebrige, in Psychedelic-Rock kippende „Die Liebe ist von allem das Größte“, seien hier nur exemplarisch als Speerspitze dieser Sammlung von exquisiten Songs genannt, von Staring Girl trotz einjähriger Konzertpause tight, feinsinnig, konzentriert und mitreißend gespielt.
Ein neues Lied
Dazu die Weltpremiere des zackigen, Richtung CCR schielenden „Gefunden“ sowie das legere „Diebe Halunken und Leute“, das hymnische „Stolpern Taumeln und Laufen“ und das entspannte wie dringliche „Bilder an der Wand“ aus dem „In einem Bild“-Album. Ein Hochgenuss für alle Anhänger des intelligenten Songwritings. Und ganz zum Schluss eben das überwältigende und epische „Schwarz zu Weiß“, mithin mein Lieblingslied von vielen anderen Staring-Girl-Lieblingsliedern. Es war ein Fest. Demnächst am 11.01. in Kiel (Hansa48) sowie am 12.01. in Langenberg (KGB – KulturGüterBahnhof) live zu erleben. Geht hin, es lohnt sich. Staring Girl sind seit Jahren schon eine uneingeschränkte Sounds & Books-Empfehlung.