Staring Girl live in Hamburg 2020 – Konzertreview

Staring Girl live Knust Hamburg 2020 by Gérard Otremba

Die Americana-Indie-Folk-Rock-Band Staring Girl beim Heimspiel im Hamburger Knust mit den Gästen Jon Flemming Olsen und Mount Winslow

Auf ihrer Tour durch den Norden Deutschlands machten Staring Girl am 09.01.2020 Station im Hamburger Knust. Anlaß für die fünf Konzerte im Januar umfassende Gastspielreise ist der Release ihrer Anfang Dezember bei Kombüse Schallerzeugnisse veröffentlichten und bei Sounds & Books besprochenen „EP“, auf der sich fünf ältere Titel im neuen Gewand sowie ein neuer Track befinden. Für das Hamburger Heimspiel lud sich die Folk-Rock-Band mit Jon Flemming Olsen und Mount Winslow gleich zwei Support-Acts ein, für Abwechslung war also garantiert.

Jon Flemming Olsen im Vorprogramm

Vielen dürfte Jon Flemming Olsen, der den Abend um 21 Uhr eröffnete, als „Ingo“ in Olli Dittrichs berühmter Impro-Comedy-Reihe „Dittsche“ bekannt sein. Als Musiker vertrat er mit seiner Country-Band Texas Lightning Deutschland beim Eurovision Song Contest im Jahr 2006. Nach seinem Ausstieg bei Texas Lightning veröffentlichte der 1964 in Düsseldorf geborene Olsen zwei unter dem Radar gebliebene Solo-Alben. Sehr schade, aber vielleicht erfährt seine neue, erst kürzlich aufgenommene Platte mehr Resonanz. Zu wünschen wäre es, denn der 55-Jährige trug einige unprätentiöse, herzensschöne, manchmal sentimentale, aber nie kitschige, fast nur neue Lieder vor. Singer-Songwriter-Folk mit nachdenklichen Texten, von Olsen auf hohem Niveau vorgebracht. Kurzfristig hatte Olsen mit technischen Problemen zu kämpfen, als die Batterien für den Akku seiner Halbakustischen den Geist aufgaben. Ein Konzertbesucher eilte flugs zur Tanke und holte neue, während in der Zwischenzeit Olsen einen anderen Song auf einer anderen Gitarre spielte. Welch ein Einsatz.

Mount Winslow als zweiter Suppor-Act

Beim anschließenden Gig von Mount Winslow kamen alle Indie-Folk-Pop-Rock-Fans auf ihre Kosten. Das aus Paderborn stammende, bei Sounds & Books bereits an dieser Stelle vorgestellte Quartett hat das Händchen für melancholische Melodien, die sanft und verspielt durch das Knust schwebten. Sollte es eine Schnittstelle zwischen London Grammar und Crosby, Stills, Nash & Young geben, möglicherweise wird diese von Mount Winslow besetzt. Sänger und Keyboarder Piet Julius, Gitarrist Henry Buttchereit, Bassist und Keyboarder Simon Tubbesing und Schlagzeuger Raphael Kazulke hinterließen einen tadellosen Eindruck, wurden lautstark gefeiert und lassen für die Zukunft hoffen.

Ein Stoppok-Coversong von Staring Girl

Staring-Girl-Sänger- und Gitarrist Steffen Nibbe musste sich zwar für seine von einer Erkältung angeschlagene Stimme entschuldigen, einem guten Konzert stand sein Handicap trotz gelegentlicher Hüstler zwischen den Songs nichts im Weg. Auf der Setlist des knapp 90-minütigen Auftritts standen Songs des 2018-er Albums „In einem Bild“ wie „Diebe Halunken und Leute“, „Matratzenladenröhrenlicht“, „Vor meiner Tür“ und das in einer Country-Rock-Version neu interpretierte, in dieser Variante auch für „EP“ aufgenommene, „Viertel vor Nichts“, einst der erste im Radio gespielte Song von Staring Girl. Für die Coverversion von „Lass Sie rein“, bei Sounds & Books bereits als Song des Tages vorgestellt, des als Zuhörer im Publikum weilenden Hamburger Songwriters Stoppok, holten sich Steffen Nibbe, Gitarrist Jens Fricke, Gitarrist und Keyboarder Gunnar Ennen, Bassist Frenzy Suhr sowie Neu-Mitglied Lennart Wohlt am Schlagzeug Jon Flemming Olsen als Gesangsverstärkung.

Klassiker und neue Staring Girl-Songs

Das für Staring-Girl-Verhältnisse radikale und wüste, ebenfalls auf „EP festgehaltene „Autos fahren auf Straßen mit Namen“ gehörte zu den neuen, an diesem Abend vorgestellten Stücken. Ein anderer im Knust gespielter neuer Song heißt „Menschengeschichtsbücher“ und erscheint mit Video im Sommer dieses Jahres. Hier können sich alle wieder auf den typischen, melancholischen Staring-Girl-Songwriter-Flow freuen. Mit dem immer noch wahnsinnig berührenden „Jeder geht allein“ ließ das Quintett das Konzert ausklingen, bevor die Fans lautstark eine Zugabe einforderten. Unterstützt von den beiden Mount Winslow-Musikern Simon Tubbesing und Raphael Kazulke boten Staring Girl noch eine atemberaubende Version von „Schwarz zu Weiß“, diesem sagenhaften Folk-Rock-Monolithen, der Gunnar Ennen ein famoses Gitarrensolo ermöglicht. Ach, man sollte einfach noch viel häufiger Staring Girl hören.

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