Sounds & Books und die Leipziger Buchmesse 2017

Viele Gespräche, interessante Menschen und gewöhnungsbedürftige Bahnfahrten

Die Anreise zur Leipziger Buchmesse am Mittwoch begann suboptimal. Ich war 25 Minuten vor dem offiziellen Abfahrtstermin am Hamburger Hauptbahnhof, vermisste meine Zugverbindung auf der Anzeige, wandte mich an die Infostelle, erfuhr, dass der Zug just auf Gleis 8 abführe, wollte noch geschwind meine Sprintfähigkeiten unter Beweis stellen, kam aber nur fünf Meter weit, denn in der Tat verließ der Zug bereits Hamburg. 23 Minuten zu früh. Ich meine, wer ahnt denn sowas? Wir haben es immer noch mit der Deutschen Bahn zu tun, Verspätungen ist man da gewöhnt, aber seit wann seid ihr zu früh dran? Ich komme aus vielerlei Gründen nicht so häufig aus Hamburg raus, fahre vielleicht vier- oder fünfmal im Jahr mit der Bahn, ich schaue dann nicht einen Tag vorher in diesem Internet nach, ob meine Zugverbindung noch steht. Ich habe bei Dir, Deutsche Bahn, Geld abgedrückt und wenn Du Dich nicht an Verträge hältst, dann hast Du mich gefälligst zu benachrichtigen. Für die nächste Fahrt habe ich bereits Verstärkung organisiert.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Mangafrauen 2017

Somit war auch die Platzreservierung futsch, ich musste über eine Stunde auf die nächste Verbindung warten und zusätzlich in Berlin umsteigen, statt wie geplant bis Leipzig durchfahren zu können. Immerhin traf ich mit Sophie Weigand von Literaturen, samt mütterlicher Begleitung, Schicksalsgenossinnen, die von den Bahn-Sperenzchen ebenfalls keine Kenntnis hatten und die Ursprungsfahrt verpassten. Bis Berlin konnten wir es uns dann mit einem Sitzplatz gemütlich machen, aber der Zug von der Hauptstadt nach Leipzig war brechend voll, sogar die von uns soeben noch ergatterten Stehplätze waren praktisch ausverkauft. So erfreute ich mich zwar über meine charmante Begleitung, traf aber eine Stunde später als geplant in der Buchmesssestadt an. Wenigsten war meine Unterkunft in circa zwölf Minuten zu Fuß vom Bahnhof erreichbar und nur fünf weitere Minuten davon entfernt ein riesiger Asia-Food-Tempel, wo ich auf Sounds & Books-Kosten (haha, Selbstironie) einen nicht zu verhehlenden Frust während eines All-you-can-eat-Buffets wegessen durfte.

Ich könnte jetzt sofort mit der nicht minder abenteuerlichen Rückreise weitermachen, aber okay, hier noch ein paar Worte zum Wesentlichen. Natürlich hetzte ich, wie üblich bei Buchmessen, egal ob in Frankfurt oder in Leipzig, von einem Verlagsstand zu nächsten, um dort meine Gespräche mit den jeweiligen Kolleginnen und Kollegen der Presseabteilungen zu führen und die Herbstprogramme kennen zu lernen.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_dtv mit Sophie Weigand

Aus wirtschaftlichen Gründen war mein Leipzig-Aufenthalt auf zwei Tage beschränkt, weshalb ich leider ganz und gar nicht all jene Verlage mit meiner Anwesenheit beglücken konnte, mit denen ich sonst regelmäßig im Kontakt stehe. Aber hoffentlich dann wieder in Frankfurt. Zwischen den zahlreichen Terminen natürlich noch kurz die ein oder andere Lesung besucht. So las der Journalist Arno Frank aus seinem vor wenigen Tagen im Tropen-Verlag erschienenen Debütroman So, und jetzt kommst du, in dem er auf überaus witzige Art seine ungewöhnliche Familiengeschichte erzählt.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Arno Frank

Zu den Romandebütanten zählt auch mein Namensvetter Hendrik Otremba, der als Sänger der Indie-Band Messer bei Sounds & Books Erwähnung fand, und auf der Leseinsel der jungen Verlage aus seinem im März beim Verbrecher-Verlag veröffentlichtes Buch Über uns der Schaum vorstellte.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Hendrik Otremba

Verglichen zu Frank und Otremba ist Stephan Beuse ein alter Hase in der Literaturbranche, der bereits seit gut 20 Jahren regelmäßig Prosawerke veröffentlicht. Einen Eindruck zu seinem unlängst im Hamburger mairisch-Verlag erschienenen, neuen Roman Das Buch der Wunder, einer fantastischen Geschwister-Geschichte, konnten sich die Besucher der Leseinsel auf der Leipziger Buchmesse verschaffen. Die Besprechungen der erwähnten Romane folgen demnächst in diesem Theater.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Stefan Beuse

Obwohl prinzipiell als Musikjournalist unterwegs, erhalte ich immer wieder eine Wildcard und nehme an von Verlagen organisierten Buchbloggertreffen teil. Das ist immer ganz interessant, lernt man auf jeder Messe neue Blogger und Bloggerinnen persönlich kennen, denen man über den eine oder anderen Social Media-Kanal folgt. Eine schöne Abwechslung bildete dabei das Freitagsfrühstück am Stand der Stiftung Buchkunst, wo uns Mitarbeiterin Katharine Hesse über die Qualitätsmerkmale schöner und weniger schön gestalteter Bücher aufklärte. Für mich auch eine kleine Reise in längst vergessene Buchhändlerausbildungszeiten, als Herstellung noch auf dem Lehrplan der Buchhändlerschule in Frankfurt-Seckbach stand.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Stiftung Buchkunst

Beim Come-Together-Meeting des Diogenes-Verlages ward es plötzlich ehrfurchtsvoll still, als der Schweitzer Bestsellerautor Martin Suter die Veranstaltung zwischen anderen Presseterminen als unangekündigter Ehrengast besuchte und in seiner unglaublich ruhigen Art Fragen beantwortete.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Martin Suter

Wesentlich extrovertierter zeigte sich der zweite Diogenes-Überraschungsgast, Filmregisseur Chris Kraus, dessen neuer, knapp 1200 Seiten fassender Roman Das kalte Blut die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte Deutschlands mit familiärem Hintergrund erzählt. Das Buch liegt bereits hier im Stapel, es kann noch ein paar Wochen dauern, aber eine Rezension wird es geben.

Sounds & Books_Leipziger Buchmesse 2017_Chris Kraus

Nach drei Nächten mit sehr wenig Schlaf (ein durchaus normaler Buchmessenausnahmezustand, diesmal aber auch einer gewissen Reisenervosität geschuldet), verabschiedete ich mich nach zwei weiteren Bloggertreffen (DVA/Manesse und Rowohlt) wie üblich mit wehmütigen Herzen von der Leipziger Buchmesse. Bis Wittenberge verlief die Rückfahrt noch planmäßig. Aufgrund eines Suizides war die Strecke nach Hamburg ab dort jedoch komplett gesperrt und eine langfristige Umleitung nötig. Statt um 23.33 Uhr traf ich dann um 1.16 Uhr in Hamburg an und konnte die Zeit noch nicht einmal sinnvoll mit dem Lesen von T.C. Boyles neuem Roman Die Terranauten nutzen, ich war so erschöpft und müde, dass mir nach jedem zweiten Satz die Augen zufielen, aber eine Stunde durchgehender Schlaf war leider auch nicht möglich. Ach, ihr Selbstmordkandidaten da draußen, könnt ihr das Problem nicht irgendwie anders lösen? Mit einer Überdosis Schlaftabletten oder einem goldenen Schuß vielleicht? Euren Abgang eventuell ästhetisch wertvoller gestalten, nicht so eine Sauerei hinterlassen und den Zugfahrplan völlig durcheinanderwirbeln? Nun, Die Terranauten von T.C. Boyle konnte ich in der Zwischenzeit fertig lesen, ausgeschlafen bin ich immer noch nicht, aber zur nächsten Leipziger Buchmesse fahre ich gerne wieder hin…

Kommentare

  • <cite class="fn">Silvia</cite>

    Deine Fahrten waren ja echt schlimm. Falls es ich Suizid begehen möchte, werde ich deine Tipps berücksichtigen.
    Vielleicht solltest du es doch mal mit Bus oder Mitfahrzentrale probieren?
    Dazwischen war ja aber alles schön. Ich fand die Messe dieses Jahr für mich auch sehr stimmig, der richtige Mix aus Terminen und Freizeit. Und zwei Tage Messe haben meinen Füßen vollkommen gereicht.
    Bis zur nächsten Messe
    Silvia

    • <cite class="fn">Gérard Otremba</cite>

      Ich muss zugeben, dass ich bisher meistens viel Glück mit der Bahn hatte und von argen Verspätungen verschont blieb. Dass jetzt beide Fahrten so unglücklich verliefen, war zwar nervig, aber irgendwie halt auch Pech. Viele Grüße, Gérard

Kommentar schreiben