Von wegen geizige Schotten: Der Glasgower Singer-Songwriter C Duncan liebt großzügigen, opulenten Pop. Sounds & Books hat ihn dazu gesprochen.
Interview von Werner Herpell
Es gibt in Deutschland dieses blöde Klischee vom geizigen Schotten (das zu so vermeintlich witzigen Billigbuden-Namen wie McGeiz oder McFit geführt hat). Abgesehen davon, dass das europafreundliche Völkchen im Norden der britischen Insel nach einschlägigen Erfahrungen ausgesprochen großzügig und gastfreundlich daherkommt – Popmusik aus Schottland ist sehr oft geradezu verschwenderisch opulent, reichhaltig produziert, einladend warmherzig.
Das galt vor 40 Jahren schon für damals junge Sophisticated-Pop-Acts wie Aztec Camera, Deacon Blue, The Blue Nile oder Danny Wilson, später für Bands wie Love & Money, Travis, Trashcan Sinatras oder The Pearlfishers – und nun im Höchstmaß für den Glasgower Singer-Songwriter und Komponisten Christopher (alias C) Duncan. Sein hochgelobtes neues Album „It’s Only A Love Song“ (VÖ 24.01.2025) mit dem zuvor bereits gebührend hervorgehobenen Titelsong waren ein willkommener Anlass, den 35-Jährigen zu seiner Musik – und speziell zu den neuen Liedern, Duncans bisher besten – zu befragen.
Von „Mr. Duncan Cooked Brunch“ zu C Duncan
Hallo Chris, schön, mit dir zu sprechen, danke dafür! Als Künstler kürzt du deinen Vornamen zu C ab. Kein Christopher, kein Chris, schlicht C. Gefällt dir dein richtiger, bürgerlicher Name nicht? Warum hast du ihn geändert? Weil C Duncan vielleicht geheimnisvoller klingt?
C Duncan: Hi, Werner! Als ich mein erstes Album aufnahm und dann bei einer Plattenfirma unterschrieb, hatte ich mir noch keine Gedanken über meinen Künstlernamen gemacht. Ich nannte mich „Mr. Duncan Cooked Brunch“, aber das war zu lang. Bei meinen ersten Auftritten verkaufte ich CD-Rs mit meiner Musik und schrieb von Hand meinen Namen und die Songtitel auf jede CD – also wollte ich etwas Kurzes, um Zeit zu sparen, deshalb hat mein erstes Album auch kurze Songtitel. Ich mag meinen eigenen Namen sehr, aber ich dachte, dass C Duncan etwas einprägsamer ist.
Obwohl du nun schon seit etwa zehn Jahren als Künstler aktiv bist und deine Platten seit deinem wunderbaren Debüt „Architect“ von 2015 hoch gelobt werden kennen dich deutsche Leser vielleicht noch nicht so gut. Bitte stell dich und deinen Werdegang als Komponist/Singer-Songwriter kurz vor.
C Duncan: Ich bin seit meiner Geburt von Musik umgeben, da meine Eltern beide klassische Streicher sind. Nachdem ich am Konservatorium in Glasgow klassische Komposition studiert hatte, begann ich als C Duncan aufzunehmen. Meine Musik ist sehr üppig und vielschichtig, mit vielen Vokalharmonien. Sie ist voller Romantik. Ich nehme alles selbst in meinem Heimstudio an der Westküste Schottlands auf.
Musik als Flucht vor dem kalten und nassen Wetter
Du stammst also aus Schottland, bist dort geboren und lebst jetzt in Glasgow (und übrigens habe ich dich tatsächlich in Schottland getroffen, als ich im Spätsommer 2022 Dundee besuchte, wo du plötzlich in einem Plattenladen vorbeikamst, um dein Album „Alluvium“ zu signieren). Was ist das Schottische an deiner Musik, wo liegen deine Ursprünge und wo drückt sich deine nordbritische Heimat aus?
C Duncan: Als ich mit den Aufnahmen begann, wollte ich Musik machen, um dem kalten und nassen Wetter zu entkommen, das wir hier in Schottland normalerweise haben. Ich wollte also in gewisser Weise gar nicht schottisch klingen. Als ich aufgewachsen bin, haben meine Familie und ich viel Zeit mit unserem Wohnwagen in Europa verbracht – vor allem in Frankreich und Deutschland (meine Großmutter war Deutsche und wuchs in Hannover auf), und ich wollte die Erinnerungen an diese langen Reisen festhalten.
Ich denke, mein Stil hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, und da ich mit vielen anderen schottischen Musikern zusammengearbeitet habe, hat meine Musik jetzt vielleicht gelegentlich einen solchen Einschlag. Und das Ambiente meiner Musik passt jetzt insgesamt besser zu meiner Umgebung hier in Schottland.
Deine Lieder und Kompositionen enthalten durchaus eine gewisse schottische Melancholie, finde ich – eine Atmosphäre, die typisch ist für diese weit nördlich gelegene Region Großbritanniens. Würdest du dich gern mit anspruchsvoller Popmusik aus Glasgow vergleichen lassen, wie zum Beispiel Aztec Camera, Belle and Sebastian, Del Amitri, Trashcan Sinatras, Teenage Fanclub, The Pearlfishers – oder siehst du dich als einen musikalischen Solitär?
C Duncan: Es gibt viele schottische Künstler, die mich in vielerlei Hinsicht inspiriert haben – aber wer mich so sehr beeinflusst hat, dass es sich in meiner Musik widerspiegelt, das sind die Cocteau Twins und The Blue Nile.
Burt Bacharach und Michel Legrand als Idole
Wenn du dich an deine Entwicklung als Komponist und Songwriter erinnerst – wen siehst du da als Vorbild oder gar Idol? Es gibt ja einige große Namen, die genannt werden, um deine Musik und deinen Sound zu beschreiben. Für „It’s Only A Love Song“ zum Beispiel: The Walker Brothers und Scott Walker, The Beach Boys (ich persönlich mag „der schottische Brian Wilson“ als Beschreibung für dich ja sehr), Prefab Sprout und Paddy McAloon, The Carpenters. Gefallen dir diese Vergleiche? Wen würdest du gern hinzufügen?
C Duncan: Eines meiner größten Songwriting-Vorbilder ist Burt Bacharach. In seinen Songs steckt eine verborgene Komplexität, die unglaublich raffiniert und doch für jeden Zuhörer sehr zugänglich ist. Ein weiteres Idol ist für mich natürlich (der französische Filmmusik-Komponist) Michel Legrand. Seine Songs, seine Partituren, seine Arrangements sind allesamt unglaublich schön, seine ungewöhnlichen Melodien und Akkordfolgen sind für mich eine besondere Inspiration.
Wie wichtig sind klassische Musik, Musicals, Film-Soundtracks, französischer Sixties-Pop für dein Songwriting? Also all diese Einflüsse außerhalb des anglo-amerikanischen Pop-Songbooks.
C Duncan: Das ist alles unglaublich wichtig für mich. Da ich eine Kompositionsausbildung absolviert habe, beziehe ich viele Ideen aus der klassischen Musik – insbesondere aus der Spätromantik und der Klassik des 20. Jahrhunderts. Komponisten wie Ravel, Mahler, Messiaen, Debussy, Richard Strauss und unzählige andere haben meine Musik stark beeinflusst. Ich höre jede Art von Musik, und das fließt definitiv in meine eigene ein.
Menschen erfreuen – und auch ermutigen
Du hast keine Scheu, dich als schwuler Künstler zu präsentieren. Ein wichtiger Schritt, wie ich finde. Beeinflusst das deine künstlerische Persönlichkeit?
C Duncan: Ich bin sehr offen, was meine Sexualität angeht, aber das verändert nicht unbedingt meine künstlerische Persönlichkeit. Meine Musik und meine Texte haben kein anderes Ziel, als Menschen zu erreichen (das hoffe ich!), und die Leute können sie so interpretieren, wie sie wollen. Ich denke jedoch, dass es wichtig ist, offen damit umzugehen, da es in der Alternative-Music-Welt im Vergleich nicht so viele offen schwule Musiker gibt. Mehr Stimmen mit unterschiedlichen Sexualitäten tragen sicherlich dazu bei, dies auszugleichen, und können hoffentlich andere ermutigen, die mit ihrer Sexualität ringen.
Kehren wir zurück zu deiner aktuellen Musik. Wovon handeln die neuen Songs im Allgemeinen, gibt es ein Konzept – wie bei einem „Konzeptalbum“ – oder einen roten Faden?
C Duncan: Wie bereits erwähnt, es ist ein sehr romantisches Album. Das übergreifende Thema des Albums ist die Liebe, der Verlust, die Wiedervereinigung – die drei emotionalsten Aspekte des Lebens für mich. Viele der Texte verwenden den Mond als Symbol für das Herz und Licht/Dunkelheit als Symbol für Verlust.
Das neue Album – von C Duncan Song für Song erklärt
Dann schauen wir uns „It’s Only A Love Song“ mal Lied für Lied genauer an. Äußere bitte ein paar Gedanken über die Musik, den Text, deine Intentionen, mögliche Subtexte.
„It’s Only A Love Song“
C Duncan: Dies war der erste Song, den ich für die Platte geschrieben habe – und der definitiv den Stil des restlichen Albums bestimmt hat. Es ist ein Liebeslied über Liebeslieder. Liebeslieder sind nur Gesten – sie sind flüchtig und willkürlich, da sie keinen wirklichen Nutzen haben, und doch bedeuten sie uns so viel.
„Lucky Today“
C Duncan: Ein Liebeslied, das ich für meinen Ehemann geschrieben habe, kurz vor unserer Hochzeit – es fasst meine Gefühle von Glück und Liebe und den Blick in die Zukunft zusammen, während ich die Gegenwart umarme.
„Trieste Clair De Lune“
C Duncan: Dieses Stück wurde eindeutig von der französischen Filmmusik der 60er Jahre, von Michel Legrand inspiriert. Es geht um den Mond, der einen Teil von sich selbst verliert – der auf die Erde herabschwebt und in unserer Atmosphäre krank wird. Der Mond ist verzweifelt, die Sterne klagen… alles sehr dramatisch.
„Worry“
C Duncan: Dabei geht es, wie der Titel schon sagt, um Sorgen und Selbstzweifel. Wir alle erleben dieses Gefühl, und es ist eines der am schwersten zu beseitigenden Gefühle, da es überwältigend und allumfassend werden kann.
„The Space Between Us“
C Duncan: Hier geht es um die stille Akzeptanz von Verlust und die Sehnsucht nach Zweisamkeit.
„Think About It“
C Duncan: Wir alle können manchmal unentschlossen sein, und „Think About It“ handelt davon, dass wir nicht wissen, welche Entscheidungen wir treffen sollen. Und dass wir letztendlich etwas verpassen, weil wir zu viel Zeit damit verbringen, zu überlegen und auf Nummer Sicher zu gehen
„Delirium“
C Duncan: Das Stück habe ich in der Zeit vor unserer Hochzeit geschrieben. Es gab viel zu organisieren, und als wir in die letzte Woche vor der Hochzeit kamen, befand ich mich in einem Zustand des Deliriums. All das schlug sich in den Texten nieder, und die Musik war ein beruhigendes Tonikum für diese Situation.
„Sadness“
C Duncan: Ich habe vor ein paar Jahren angefangen, dieses Lied zu schreiben, nachdem ein Freund von mir gestorben war. Ich habe sehr lange gebraucht, um das zu verarbeiten, das tue ich immer noch. Jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte, ging ich zum Klavier und spielte dieses Lied – und es half mir in gewisser Weise, mich zu trösten. Die Traurigkeit, die man beim Abschied von jemandem empfindet, zeugt von der Zuneigung, die man ihm entgegenbringt.
„Surface Of A Fantasy“
C Duncan: Dies ist die Kehrseite von „Triste Clair De Lune“. Es geht um die Wiedervereinigung und den damit verbundenen Jubel.
„Reprise“
C Duncan: Ich wollte schon immer einen Reprise-Chor auf einem meiner Alben haben, bevor das letzte Lied erklingt, und diese Sammlung von Liedern eignete sich perfekt dafür.
Worauf C Duncan „sehr stolz“ ist
„Time And Again“
C Duncan: Das ist wahrscheinlich der romantischste, üppigste und epischste Song, den ich je geschrieben und aufgenommen habe – worauf ich sehr stolz bin. Es ist ein Höhepunkt von allem, was auf dem Album passiert ist, und textlich ist es eine Zusammenfassung von allem, was vorher geschah und wieder geschehen wird. Es fasst die Themen Freude, Herzschmerz und Wiedergeburt zusammen, bevor es musikalisch leise in den Nachthimmel aufsteigt.
Das war eine wunderbare Führung durch ein wunderbares Album, Chris. Vielen Dank, und weiterhin viel Glück!
C Duncan: Und ich danke dir, Werner!
Das Album „It’s Only A Love Song“ von C Duncan ist am 24.01.2025 bei Bella Union/Rough Trade erschienen. (Beitragsbild von Harrison Reid)