Sondre Lerche: Avatars Of The Night

Sondre Lerche Pressefoto

Remix- und Demo-Alben sind oft eine öde Angelegenheit. Im Fall von „Avatars Of Love“, dem 2022er Meisterwerk des Norwegers Sondre Lerche, ist der opulente Nachschlag aber hochwillkommen

von Werner Herpell

Mit „Avatars Of Love“ legte der norwegische Singer-Songwriter Sondre Lerche vor genau einem Jahr, am 1. April 2022, ein atemberaubendes Doppelalbum vor – ein Meisterwerk des romantischen, intelligenten „Sophisticated Pop“. Die 15 Tracks (auf Vinyl 14) waren teilweise über zehn Minuten lang und randvoll mit stilsicheren, kundigen Verweisen auf die Historie von Pop, Folk, Jazz und Latin. Ehrenvolle Vergleiche – mit Paul McCartney und Paul Simon, mit Paddy McAloon (Prefab Sprout), Conor O’Brien (Villagers) und den Pet Shop Boys, mit Chet Baker und Joao Gilberto – klangen gar nicht mal nicht übertrieben.

Ein Schlusspunkt nach dem Karriere-Highlight

Sowohl quantitativ als auch qualitativ erwies sich „Avatars Of Love“, eine Steigerung und Erweiterung des ebenfalls schon fantastischen

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Vorgängers „Patience“ (2020), als Opus magnum dieses inzwischen 40-jährigen Sängers und Multiinstrumentalisten. Nun setzt Lerche einen gebührenden Schlusspunkt hinter die beste Veröffentlichung seiner bereits zwei Dekaden umfassenden Karriere – mit dem ebenso großzügigen Nachschlag „Avatars Of The Night“. Den Titel fügte er aus den beiden längsten Stücken „Avatars Of Love“ und „Dead Of The Night“ zusammen, für die er wegen seines Muts zum ausufernden Experiment besonders viel Lob erhielt.

Insgesamt 20 Remixes, Demos, jazzige Neubearbeitungen, Live-Raritäten und unveröffentlichte Stücke enthält das auf der Künstler-Plattform Bandcamp als Download erhältliche Album. Den Rahmen bilden zwei vergleichsweise kurze Songs, die es im Vorjahr nicht mehr auf die Vinyl-Ausgabe geschafft hatten: die zarte Folkpop-Preziose „Sunset Tower In The Rain“ und „The Most Savage Joke“ – das allerletzte Lied, das Sondre Lerche im kreativen Rausch der Pandemie-Pause für „Avatars Of Love“ geschrieben und im Sommer 2021 aufgenommen hatte. „Ich mochte es, weil es in seiner Struktur kompakt, in der Ausführung aber großformatig war“, sagte der Norweger dem „Atwood Magazine“. „Aber letztlich fühlte es sich zu fatalistisch und zynisch an.“

Remixes mit Risiko, Neues auf Norwegisch

Wer Sondre Lerche schon länger kennt, weiß die stilistische und produktionstechnische Offenheit dieses Songwriters zu schätzen. Regelmäßig veröffentlicht er für seine Fans Cover-Versionen mit einem Spektrum von Bob Dylan bis Britney Spears. Er scheut aber auch vor radikalen elektronischen Bearbeitungen seiner eigenen Songs nicht zurück. Mehrere vertraute Stücke von „Avatars Of Love“ hat Lerche einer riskanten Transformation unterzogen – und nicht jeder Remix wird jeden Fan so begeistern wie die Ursprungsfassung, aber kein Track ist unangemessen nervig oder komplett überflüssig.

Sehr charmant klingen zwei von Sondre Lerche auf Norwegisch gesungene Lieder („Så n​æ​re vi var“ und „Tiden det tar å snu“), äußerst virtuos ist die an Brad Mehldau erinnernde Piano-Jazz-Interpretation des Maria Kannegaard Trios von „The Other Side Of Ecstasy“. Weitere Höhepunkte sind die prachtvolle Ballade „Guarantee That I’d Be Loved“ in einer Live-Version mit Kammerorchester und das von einem Chor veredelte „Magnitude Of Love“.

Sondre Lerche schließt wichtiges Kapitel würdig ab

Es gibt also viel zu entdecken auf „Avatars Of The Night“ – und im Gegensatz zu vielen anderen Remix-Alben wird man dieses liebevoll kompilierte „companion piece“ neben dem Original auch gern öfter hören. Sondre Lerche hat damit ein wichtiges Kapitel seiner Laufbahn abgeschlossen und will sich nun neuen Projekten zuwenden. Wir halten Euch auf dem Laufenden.

„Avatars Of The Night“ von Sondre Lerche ist am 31.03.2023 digital auf Bandcamp erschienen.

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