Selbstbewusst auf den Schultern von Soul-Giganten: Sinkane verneigt sich mit „We Belong“ vor dem großen kulturellen Erbe der schwarzen Musik.
von Werner Herpell
Diese Woche (genauer gesagt: am 2. April) wäre Marvin Gaye 85 Jahre alt geworden, hätte ihn der eigene Vater nicht 1984 am Tag vor seinem 45. Geburtstag im Streit getötet. Das Gedenken an den legendären Soul-Sänger wird auch Sinkane pflegen, denn seine Musik und sein Gesangsstil stehen auf den Schultern dieses Giganten (wie auch einiger anderer Black-Music-Ikonen, etwa Stevie Wonder, Curtis Mayfield oder Sly Stone).
Rückgriff auf ein großes Erbe
Mit seiner achten Studioplatte „We Belong“ legt der 1983 in London geborene US-Amerikaner mit sudanesischen Wurzeln ein ambitioniertes Werk vor, das schon im Titel auf ein großes Erbe anspielt. Es geht natürlich darum, zu einer kulturellen Gemeinschaft zu gehören, die sich ihrer Wurzeln sehr bewusst ist.
Man kann die zehn Lieder mit programmatischen Titeln wie „Come Together“, „Rise Above“ (inklusive tollem Marvin-Gaye-Gedächtnis-Break) oder eben „We Belong“ unter Retro-Soul einordnen, was ihre Vielschichtigkeit aber nur unzureichend abbildet. Denn Ahmed Abdullahi Gallab aka Sinkane hat Größeres im Sinn (und damit durchaus Erfolg). Er will die afroamerikanische Musik der vergangenen 60 Jahre – von Jazz, Gospel und Motown-Soul über Disco, Reggae und Funk bis zu Hip-Hop und Afrobeat – in ihrer ganzen Schönheit und politischen Relevanz ehren.
Widerstand gegen Unterdrückung
Er selbst sagt dazu: „I think ‚We Belong‘ ultimately turned into ‚This is about us, this is about all of us‘. And we all feel the same thing about how the world responds to us, and how we feel like second class citizens, and how a lot of people try to tell us all of the time that we don’t belong, in one way, shape, or form.“ Es geht also auch um Widerstand gegen kulturelle Schubladisierung, letztlich gegen Unterdrückung.
Sinkane ist ein toller Sänger, der das cremige Marvin-Gaye-Falsett ebenso drauf hat wie den dunkler getönten Spiritual-Sound in „Everything Is Everything“ oder eine elegante Prince-Aneignung im Titelstück. Mit sieben Studioalben im Gepäck und einer Karriere als Komponist, Produzent und Bandleader hat er seit dem ersten Album „Sinisterals“ von 2007 und dem City-Slang-Debüt „Mars“ von 2012 jede Menge Erfahrungen gesammelt. Und auch viele Kooperations-Möglichkeiten – auf „We Belong“ etwa sind der leider am Sonntag mit nur 45 Jahren gestorbene Jazz-Musiker Casey Benjamin, der Trompeter Kenyatta Beasley, der renommierte Soul-Mann Bilal sowie die Sänger Ifedayo Gatling von den Harlem Gospel Travelers, Tru Osbourne und Hollie Cook zu hören.
Intelligente Soul-Mixtur von Sinkane
Manchmal wirkt das Ganze ein bisschen zu sehr nach dem „Malen-nach-Zahlen“-Prinzip zusammengebaut (etwa in den Electro/Disco/Gospel-Hybriden „Come Together“ und „How Sweet Is Your Love“). Doch meistens funktioniert diese so intelligente wie tanzbare Mixtur, besonders gut im wunderbar lässig groovenden Afropop von „Liming“. Kurz und bündig zusammengefasst: Auch ein Marvin Gaye hätte zu Sinkanes Black-Music-Hommage „We Belong“ wohl zustimmend genickt. Mindestens.
Das Album „We Belong“ von Sinkane erscheint am 05.04.2024 bei City Slang. (Beitragsbild: Albumcover)