Shaun Usher (Hg.): Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten

Shaun Usher credit Shaun Usher

Egal, ob er selbst Briefe schreibt und ob die die Welt bedeuten – auf jeden Fall hat Shaun Usher, Herausgeber von „Letters of Note“, ein Gespür für bedeutsame Korrespondenzen anderer.

Punkte in Flensburg, Pilze im Wald, Fleißinsekten im Hausaufgabenheft, Einträge auf dem Backpfeifenkärtchen, Bilder der schönsten Traktoren der Moderne, Schweigen, Briefmarken, Steine, Abmahnungen … Egal was: Menschen sammeln. Manche mehr, manche weniger absichtlich. Shaun Usher ist auch so einer: Mensch. Sammler. Und zwar mit voller Absicht und nicht weniger Leidenschaft.

Vom Digitalen ins Analoge

Shaun Usher Letters of Note Briefe die die Welt bedeuten Cover Heyne Hardcore

Objekte seiner Sammelbegierde sind anderer Menschen Korrespondenzen. Und das nicht erst seit neulich. Bereits seit 2009 lebt Shaun Usher seine diesbezügliche Leidenschaft als alleiniger Blogbetreiber von und auf lettersofnote.com, einer Art 2.0-Museum für Schriftverkehr, aus. Über 100 Millionen Zugriffe auf die Seite zeigen, dass Ushers textuelle Vorlieben auf reges Interesse stoßen. Es war also nicht gerade die große Kunst der Weissagung, dass selbige analogisiert keinesfalls Nischenpublikation wären.
Und genauso kam es dann auch. 2013 gab Usher eine von ihm getroffene Auswahl der „Letters of Note“ als Buch heraus, welches umgehend zum internationalen Bestseller avancierte. Es folgten weitere, thematisch geordnete Sammelbände, beispielsweise zu Katzen, zu Müttern, zu Fußball und zu Musik. Oder eher Sammelbändchen, kommen die doch mit jeweils „nur“ circa 30 Briefen in einem mitnahmefreundlichen Format daher. Anders als „Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten“, ein Werk, das in etwa viermal so viele Briefe, viermal so viel Format und mindestens noch viel mehr als nur viermal mehr Gewicht bedeutet.

Letters of Note: Korrespondenzen der Superlative

Laut Verlag beinhaltet „Letters of Note“ die 125 „faszinierendsten und berührendsten Briefe der Weltgeschichte“. Ein Superlativ, der weder beweis- noch widerlegbar ist. Fakt ist: Es sind 125 Briefe, verfasst von mal mehr, mal weniger, mal gar nicht berühmten Persönlichkeiten an mal mehr, mal weniger, mal gar nicht berühmte andere. So enthält die von Usher kuratierte Sammlung beispielsweise Virginia Woolfs Abschiedsbrief an ihren Ehemann Leonard Woolf, Gandhis Friedensersuch an Adolf Hitler, ein Bewerbungsschreiben Leonardo da Vincis, das höchsteigene Eierkuchenrezept von Queen Elizabeth II., das sie US-Präsident Eisenhower zukommen ließ, ein Antwortschreiben eines befreiten Sklaven an seinen früheren Herren, den Liebesbrief des Physikers Richard Feynman an seine verstorbene Frau, Briefe verzweifelter Mütter an ein Findelhaus, vor dessen Tür sie ihre Säuglinge aussetzten, Steve Martins oder auch Iggy Pops Antwortschreiben auf Fanpost, Nick Caves Absageschreiben an MTV, anlässlich seiner Nominierung für einen Award des Musiksenders. Dabei sind die ausgewählten Schriftstücke mal faszinierend, mal berührend, mal witzig, mal eher informativ, mal wirkmächtig, mal schockierend, mal bemerkenswert, mal schillernd, mal nur so.

Briefe für alle, Briefgeheimnis für andere

Das dem Werk angefügte Abdruckverzeichnis lässt Zweifelnde aufatmen: Ging alles mit rechten Dingen zu. Und mit ästhetischen auch. Denn wo immer es möglich war, wurden die Originaldokumente aufgestöbert, entsprechende Genehmigungen zum Abdruck eingeholt und die teils handschriftlichen, teils getippten, teils gravierten, mal kaffee- oder anders befleckten, zuweilen angeknitterten Aufzeichnungen anschließend in Szene gesetzt. Also zusätzlich. In jeweils beigestellten Textboxen liefert Kurator Usher Hintergrundwissen um die Verfassenden der Schriftstücke oder die Umstände des Entstehens selbiger, was bei Bedarf hilft, das Geschriebene in den historischen Kontext einzuordnen.

Natürlich sind Sammlungen selten abschließend und richten sich noch natürlicher in erster Linie an den Präferenzen (und Ressourcen) Sammelnder aus. Das ist bei „Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten“ nicht anders. Auf jeden Fall ist beim und nach dem Lesen dieser eine beeindruckende Bereitschaft zu bejahen, selbst vermehrt Briefe (oder ein royales Eierkuchenrezept) empfangen zu wollen. Vielleicht auch zu schreiben. Um welche zu empfangen. Nichts für ungut. Denn die schönsten Briefe sind ja doch die, die man, so sie schön sind, selbst bekommt. Und bekanntermaßen ohne Geben kein Nehmen. Nun denn: „Liebe Erbtante, …“

Shaun Usher (Hrsg.): „Letters of Note – Briefe, die die Welt bedeuten“, Heyne Hardcore, Hardcover, 408 Seiten, ISBN: 978-3-453-27311-5, 35 € (Beitragsbild: Shaun Usher by Shaun Usher)

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