Sasha Filipenko: Rote Kreuze – Roman

Sasha Filipenko credit Lukas Lienhard Diogenes Verlag

Sasha Filipenkos intensiver Roman gegen das Vergessen

Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch empfiehlt die die Romane Sasha Filipenkos nachdrücklich: „Wenn Sie wissen wollen, was das moderne, junge Russland denkt, lesen Sie Filipenko“, so ihr Statement, abgedruckt auf der Rückseite des Buchumschlags. „Rote Kreuze“ ist das erste, aus dem Russischen von Ruth Altenhofer ins Deutsche übersetzte und bei Diogenes erschienene Buch des 1984 im weißrussischen Minsk geborenen Autors, der in St. Petersbug lebt und bereits als Journalist, Drehbuchautor, Fernsehmoderator und Gag-Schreiber für eine Satire-Sendung gearbeitet hat. In „Rote Kreuze“ taucht er tief und intensiv in die Terrorzeit Josef Stalins ein.

Sasha Filipenko springt von der Minsker Gegenwart in die sowjetische Vergangenheit

Sasha Filipenko Rote Kreuze Cover Diogenes Verlag

Der Ich-Erzähler Sascha wundert sich über ein rotes Kreuz an der Tür seiner neuen Wohnung in Minsk. Seine 91-jährige, an Alzheimer erkrankte Nachbarin Tatjana Alexejewna hat es als Orientierungshinweis gemalt. In durchaus aufdringlicher Art zwingt die alte Dame den mürrischen und abwehrenden Sascha ein Gespräch auf. In dem sie den ausführlichen Part übernimmt und Sascha ihre Lebensgeschichte erzählt. Die es wahrlich in sich hat. Ihre Eltern lernten sich in Paris kennen, die Mutter verstarb bei der Geburt, 1919 zog sie mit ihrem Vater nach Russland, Berufsbedingt war Tatjanas Vater häufig in Europa unterwegs, so dass sie ab 1924 mehrere Jahre in der Schweiz verbrachte. Nach dem erneuten Umzug nach Moskau sowie dem Tod des Vaters wird Tatjana aufgrund ihrer guten Sprachkenntnisse vom NKID, dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten als Sekretärin angeworben.

Entsetzliche Lagerzeiten

Sie trifft die große Liebe, wird Mutter, der Krieg bricht aus. Als sie ihren Mann auf einer Liste des Roten Kreuzes von in Kriegsgefangenschaft geratenen russischen Soldaten entdeckt, ersetzt sie diesen durch einen anderen, bereits auf der Liste stehenden Namen. Die gefährliche Einmischung zum Schutz ihres Mannes – um diesen nicht als Volksverräter zu brandmarken – zeigt letztendlich nicht die erhoffte Wirkung. Tatjana wird nach dem Krieg verhaftet, verbringt fast zehn Jahre voller psychischer und körperlicher Misshandlungen in einem gottverlassenen, fernen Lager und verliert Man und Kind, wie sie nach der Haftentlassung erfährt. Während sie sich durch das Erzählen an eine immer löchriger werdende Erinnerung klammert, versucht Sascha den Krebstod seiner Freundin zu vergessen.

Die Schonungslosigkeit des Sasha Filipenko

Schonungslos geht  Sasha Filipenko mit den Gräueltaten der Stalin-Zeit zu Gericht. Seine Leser bleiben nicht weniger verschont. Diverse Passagen der Zustände im Gulag lassen einen schockiert zurück. „Rote Kreuze“ ist ein intensiver Roman gegen das Vergessen der geschichtlichen Verbrechen, für das Sasha Filipenko beim Roten Kreuz in Genf recherchieren musste, um Einsicht in die Dokumente der Korrespondenz zu den russischen Kriegsgefangenen zu erhalten. In Moskau werden diese unter Verschluss gehalten. Nach der Lektüre des Buches bleibt einem gar nichts anderes übrig, als Swetlana Alexijewitschs obiger Aussage zuzustimmen.

Sasha Filipenko: „Rote Kreuze“, Diogenes, aus dem Russischen von Ruth Altenhofer, Hardcover, 288 Seiten, 978-3-257-07124-5, 22 Euro (Beitragsbild von Lukas Lienhard)   

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