Sasha Filipenko: Der ehemalige Sohn – Roman

Sasha Filipenko credit Lukas Lienhard Diogenes Verlag

Die Entdeckung des aus Belarus stammenden Autors Sasha Filipenko geht mit dieser vortrefflichen satirischen Abrechnung weiter

Vor einem Jahr erschien mit „Rote Kreuze“ der erste ins Deutsche übersetzte Roman von Sasha Filipenko. Der 1984 in Mink geborene und auf Russisch schreibende Autor fand nicht nur in Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch eine prominente Befürworterin, auch Sounds & Books zeigte sich in dieser Rezension angetan. Ein guter Fang für den Diogenes-Verlag, der nun Filipenkos erneut von Ruth Altenhofer übertragenen Debütroman veröffentlicht hat. „Der ehemalige Sohn“ kam im Original bereits 2014 auf den Markt und ist aufgrund seiner spitzfindigen und ironischen Abrechnung mit der belarussischen Regierung um Präsident Alexander Lukaschenko in den meisten Minsker Buchläden nur unter der Hand erhältlich, wie Sasha Filipenko im Vorwort berichtet.

Filipenkos Hoffnung

Sasha Filipenko Der ehemalige Sohn Cover Diogenes Verlag

Des Weiteren schreibt er: „Meine inständige Hoffnung ist, dass dieses Buch in meinem Land eines Tages nicht mehr aktuell seine wird“. Verständlich und trotz der seit im Jahr 2020 aufkommenden Protestbewegung scheint es noch ein weiter Weg zu Demokratisierung von Belarus zu werden. In „Der ehemalige Sohn“ führt uns Sasha Filipenko in die belarussische Hauptstadt Minsk des Jahres 1999. Der 16-jährige Franzisk, Cello-Schüler an einem Musik-Gymnasium, wird bei einer Massenpanik schwer verletzt und fällt ins Koma. Von den Ärzten als hoffnungsloser Fall abgestempelt, glaubt nur seine Großmutter an eine mögliche Genesung und verbringt fortan die Tage an Franzisks Krankenbett, um ihrem Enkel Geschichten zu erzählen und aus Büchern vorzulesen. Doch nichts hilft. Selbst der Besuch seiner deutschen Gastfamilie, bei der Franzisk als Junge mal wohnte und zu der er ein gutes Verhältnis entwickelte, führt nicht zum gewünschten gesundheitlichen Erfolg.

Ein in Koma liegendes Land

So vergehen fast zehn Jahre, bis die Großmutter stirbt und tags darauf Franzisk doch aus dem Koma erwacht. In seinem näheren Umfeld hat sich alles verändert: Seine Oma ist tot, seine damalige Freundin ist mit einem guten Kumpel zusammen, und seine sich nie groß um ihn kümmernde, nun mit Franzisks behandelndem Arzt liierte Mutter hat sogar einen kleinen Halbbruder auf die Welt gebracht. Was sich indes nicht verändert hat, sind die politisch-gesellschaftlichen Zustände. Noch immer herrscht der allmächtige Präsident, der immer rabiater mit Systemkritikern umgeht. Auch eine die Hoffnung auf Veränderung hochkochen lassende Demonstration mit tausenden von Menschen wird am Ende von der Staatsmacht mit aller Härte zurückgeschlagen. Während also Filipenkos Hauptprotagonist erwacht, liegt dessen Heimatland immer noch im Koma.

Sasha Filipenko setzt auf Satire

Sasha Filipenko setzt dem diktatorischen Staatsapparat Lukaschenkos die Mittel der Satire entgegen. Um die Mißstände zu entlarven und anzuprangern, lässt Filipenko beispielsweise einige Studenten in einem Lokal das neuerdings beliebte Gesellschaftsspiel „Absurd“ spielen, bei dem sich die Teilnehmer gegenseitig groteske, jedoch wahrhaftige, wie eine Farce anmutende Geschichten erzählen. Mit diesem mutigen, bissigen, flott erzählten, von scharfen Dialogen geprägten und stets mitreißenden, politischen Familienroman legt sich der kämpferische Filipenko mit einem rigorosen Regime an und wohnt zumeist im Schweizer Exil. Es wird Zeit, dass sich die Zeiten schnell auch in Belarus ändern.

Sasha Filipenko: „Der ehemalige Sohn“, Diogenes, aus dem Russischen von Ruth Altenhofer, Hardcover, 320 Seiten, 978-3-257-07156-6, 23 Euro. (Beitragsbild von Lukas Lienhard)

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