Sarah Lesch zeigt die Vielfalt des Liedermachergenres
Mit ihrem aufrüttelten Protestsong „Testament“ verzeichnete Sara Lesch vor Jahresfrist einen veritablen Erfolg. Dass dabei die Verbreitung des Songs durch rechtspolitische Gruppierungen half, könnte man als Ironie auslegen (wäre es nicht eine so hinterhältige Tat), steht Leschs Text doch für Werte, die Rechte nur aus der Ferne betrachten, geschweige denn ausleben. „Testament“ ist auf Sarah Leschs zweitem, vor zwei Jahren erschienenen Album Von Musen und Matrosen zu finden, dem nun Da draußen folgt. Die in Leipzig lebende Musikerin interpretiert das Liedermachergenre auf ihrer dritten Platte auf vielfältigste Weise.
Bereits der fröhliche Country-artige Twang im titelgebenden Opener „Da draußen“ reißt einen mit. Ein offenherziges Statement zu den Themen Wahrheit, Freiheit und Frieden mit klugen Sentenzen („Wer schreit kann nicht gleichzeitig denken“). Sarah Lesch weiß zwar keine Lösungen, nur Lieder, aber die sind häufig Hilfe genug. Und sei es „nur“, um sie als gute Musikerin erkennen zu können. Dass sie eine solche ist, zeigt sich beispielsweise im bandverstärkten, lässigen Groove in „Reise Reise Räuberleiter“, der Pop, Rock, Jazz und Blues vereint. Oder in der russischen Schwermut, die durch „Adieu“ weht, einer Abschiedsode an Leschs früheren Wohnort Tübingen. Gewinnt „Adieu“ am Ende mit Folkloreeinlagen Lebensmut zurück, so entlässt uns Lesch mit der Gitarren-Trompeten-Jazz-Ballade „Tête-À-Tête“ in unsere traurige spätabendliche Gedankenwelt.
Im putzigen „Lieblingsbeatle“ erfahren wir, dass Leschs Lieblingsbeatle gar nicht bei den Beatles war, während „Die Ballade von Frei Johnny“ als Seemannslied in der Tradition von Kurt Weill und Bertolt Brecht erklingt und „Zeitlose Kamelle“ mit prägnanter Hammondorgel herrlich offensiv rockt. Wesentlich intimer und nachdenklicher das anschließende „September“ mit der schönen Zeile „Denn da steht auf dem Fußweg geschrieben: weniger ich, mehr wir“. Die klassische Liedermacherin gibt Sarah Lesch in „Einmal noch“, eine pittoreskes „Schlaflied“ folgt, bevor sich „Das mit dem Mond“ trotz wieder einem vergleichsweise fetten Bandsound in sehnsüchtiger Melancholie verliert.
Als Abschluss das knapp neunminütige „Eine Geschichte vom Pferd“, eine getragene, wunderschöne Ballade, mit hingebungsvollem Mundharmonikaspiel, einem dezenten Schlagzeug und schimmernder Orgel. Den Status der Nachwuchsliedermacherin hat Sarah Lesch, die mit ihrer Stimme die ganze Ausdruckspallette von geharnischter Anklage bis zum zarten Hauchen beherrscht, spätestens mit Da draußen verlassen und sich in die Gilde der wichtigsten deutschsprachigen Songwriterinnen gespielt. Ein Album zum Zuhören und Mitdenken.
„Da draußen“ von Sarah Lesch erscheint am 11.08.2017 bei Kick The Flame / Broken Silence (Beitragsbild: Markus Mlynek).