Roscoe Mitchell: Bells For The South Side – Album Review

 

Improvisierte Disziplin

Mit „ambitioniert“ ist die Arbeit von Roscoe Mitchell noch harmlos beschrieben. Der Saxofonist (Alt-, Tenor- Sopran- und Bariton) ist einer der Pioniere des Jazz, ein ewig Suchender, der sich an Formen und Vorgaben nie gehalten hat. Vor allem seine Releases mit dem „Art Ensemble“ haben ihm einen hervorragenden Ruf als Erneuerer der Musik eingebracht. So lag es auf der Hand, dass die Kuratoren des Chicago Museum Of Contemporary Art für ihre Ausstellung „The Freedom Principle“, die die Entwicklungen in Musik und Kunst zum Thema hat, den Multiinstrumentalisten Mitchell für ein Konzert mit „Neuer Musik“ anfragten.

„Bells For The South Side“, das nun als Doppel-CD vorliegt, präsentiert den Mitschnitt dieses Konzertes aus dem Jahr 2015. Roscoe Mitchell zeichnet darauf eine Art Selbstportrait, stellt die Musik seiner vier Trios gegenüber und kombiniert sie. Das Ergebnis ist ein Kaleidoskop unterschiedlicher Atmosphären und Klangfarben, ein Blick in Vergangenheit und Zukunft. Die Schaffenskraft Mitchells ist überwältigend. Bis ins Detail ausgearbeitete Arrangements treffen auf freie Formen. „Bells For The South Side“ ist improvisierte Disziplin. Mitchell selbst setzt mit seinem kraftvollen und ausdrucksstarken Spiel immer wieder Akzente.

Aber auch seine Mitmusiker treten virtuos in Erscheinung. Trompeter Hugh Ragin und Posaunist Tyshawn Sorey haben ihren großen Auftritt in „Prelude To A Rose“, die Percussionisten William Winant, Tani Tabbal und Kikanju Baku zaubern in „Dancing In The Canyon“ und Bassist Jaribu Shahids lyrisches Spiel ist vor allem in „EP 7849“ zu bestaunen. Mit einer fordernden Version von „Odwalla“, dem von Mitchell komponierten Signature Song des Art Ensemble, bei dem alle neun Musiker mitspielen, endet schließlich das Set, das seine Hörer stark fordert, sie aber auch großzügig bereichert. Mitchell ist nicht nur ein ewig Suchender, er findet auch.

„Bells For The South Side“ von Roscoe Mitchell ist am 16.06.2017 bei ECM Records erschienen.

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