Rolling Stone Weekender 2017 – Die Konzerte des ersten Tages

Glen Hansard Rolling Stone Weekender 2017 by Gérard Otremba

 

Der Rolling Stone Weekender mit Birth Of Joy, Rostam, Lee Fields, Gang Of Four, Steve Gunn und Glen Hansard

Der Anteil der Musikerinnen beim diesjährigen Rolling Stone Weekender am Weißenhäuser Strand fällt erschreckend niedrig aus. Bei den vier Konzerten auf der großen Bühnen im Zelt zeigte sich lediglich die Keyboarderin und Pianisten von Glen Hansards Belgleitband. Im Witthüs tritt noch Alynda Segarra, alias Hurray For The Riff Raff, auf, und das war es dann auch schon mit der weiblichen Herrlichkeit. Eine erdrückende männliche Dominanz, sogar das Streichquartett währends des Auftritts von Ex-Vampire-Weekend-Mitglied Rostam besteht nur aus Männern. Die Aussichten für den zweiten Tag sind in dieser Hinsicht nicht besser, man muss die Damen der Musikwelt im Programmheft mit der Lupe suchen. Dieser Zustand darf sich in den kommenden Jahren ändern.

Die niederländische Band Birth Of Joy nutzt die Gunst der Stunde als Opening Act des seit Monaten ausverkauften Indoor-Festivals an der Ostesse und treibt den Besuchern in der Zeltbühne die Anfahrtsmüdigkeit aus den Knochen. Mit Verve, Spielfeunde und viel Dynamik präsentieren Sänger und Gitarrist Kevin Stunnenberg, Gertjan Gutman an der Orgel sowie Schlagzeuger Bob Hogenelst ihren Psychedelic-Rock, der die Einflüsse des Protopunk der Marke MC5 und des Deep Purple- und Led Zeppelin-Rock hervorhebt. Bluesrock, Fifites-Rock’n’Roll und eine Doors-Orgel, straffe Gitarrenriffs, Soli und Jam-Einlagen vervollständigen das Repertoire von Birth Of Joy. Starker Auftritt der jungen Band, die schnell das Publikum auf ihre Seite ziehen kann.

Einen Gegenentwurf zum urigen Rock von Band Of Joy entwirft anschließend Rostam bei seinem ersten Deutschland-Konzert im Baltic-Saal. Von seiner Stammband Vampire Weekend hat sich Rostam Batmanglij, der in der Vergangenheit Songs von Frank Ocean und Solange produzierte, vor Jahresfrist getrennt, sein Solo-Debütalbum Half-Light ist wenige Wochen alt. Begleitet von Streichquartett und Schlagzeug entführt Rostam die Gäste in eine Art Weltmusik-Folk-Pop, der ästhetischen und dezenten Wohlklang bietet. Zurück im Zelt, betritt Lee Fields die dortige Bühne. Der 66-jährige amerikanische Sänger hat mit The Expressions eine fabelhafte Backing Band im Rücken, die mit exakt getimten Einsätzen und harmonischem Zusammenpiel punktet. Eine intesnive, fiebrige Mixtur aus Soul, Rhythm & Blues und Funk (mit romantischen Passagen und und Urschrei-Therapie), die der charismatische Lee Fields zelebriert. Ein Mann, der mittels Gesten das Publikum, das ihm aus der Hand frisst, im Griff hat. Energetisch, ein Soulman durch und durch.

Die Pause zum nächsten Konzert im Zelt fällt länger als geplant aus. Aufgrund einer Flugverspätung verzögert sich der Auftritt von Gang Of Four um geschlagene 35 Minuten. Demenstprechend genervt reagieren die Besucher und begrüßen das britische Quartett mit Pfiffen. Leider kommt der Post-Punk der legendären Formation (allerdings ist nur noch Gitarrist Andy Gill von der Urspungsbesetzung mit an an Bord) nicht so wirklich in die Gänge. Lediglich „Damaged Goods“ zündet, der Rest bleibt indifferenziert, wirkt wie Stückwerk und hinterläßt ingsgesamt einen nur mittelmäßigen Eindruck. Die Erwartungshaltung war im Vorfeld höher. Vielleicht lag es am ungeplanten Anreisestreß. Einen wesentlich bessere Vorstellung liefert Steve Gunn mit seinen Outliners ab. Der aus Pennsylvania stammende Songwriter entfaltet bei seinem Gig im Baltic-Saal ein filigranes und elegisches Gitarrenspiel, der Bandsound pendelt zwischen beseeltem Desert- und Beach-Americana. Entdeckungswürdig, der Mann, keine Frage.

Den Sympathiepreis des ersten Tages beim Rolling Stone Weekender 2017 erhält neben Lee Fields eindeutig Glen Hansard. Bekanntgeworden ward der Ire einst durch die Filme The Commitments und natürlich Once, dessen bekannter Soundtrack „Falling Slowly“ auch dem stärksten Wikinger eine Träne ins Auge schießen ließ. Und dieser Song funktioniert noch immer. Nach 30 Minuten, ziemlich pünktlich um Mitternacht spielt Glen Hansard diese unverwüstliche Romantik-Ballade, und sie rührt nach wie vor. Zu schön. Sein sonst beseelter Songwriter-Folk-Pop wird frenetisch goutiert, schmachtende Balladen und hymnischer Pathos, mit viel Soul und Blues infiziert,  wechseln sich ab, überschäumende Euphorie, die die Seele streichelt. „Merc, Mercy“ und lobet den Herren. Schöner Abschluss des ersten Tages beim Rolling Stone Weekender 2017.

Kommentare

  • <cite class="fn">Heiko Schuhmacher</cite>

    Es bleibt zu erwähnen, dass bei Fortuna Ehrenfeld die wunderbare Jenny Thiele an den Keyboards und Sounds agierte! Das großartige Konzert im Baltic. Der wirkliche Höhepunkt des ersten Abends. Augen und Ohren auf!

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