Rolf Jacobsen: Nachtoffen

Rolf Jacobsen, credit: Geir Olsen

Verbindung und Transzendenz: Die Kraft der Natur in den Gedichten von Rolf Jacobsen

Die „Sehnsucht nach einem wachen Herzen“, sie ist es, die mich immer wieder zur Lyrik führt. Rolf Jacobsen gelingt es, diese Sehnsucht in seinen Gedichten in mir anzusprechen, sie zu thematisieren und zu stillen. Die Edition Rugerup hat mit „Nachtoffen“ ein Gedichtband des 1994 verstorbenen norwegischen Lyrikers veröffentlicht.

Ein waches Herz ist eines, das sich nicht vom Alltag einschläfern lässt; das mehr sucht als den routinierten, funktionierenden Pulsschlag. Es sucht die Ausschläge, Lebendigkeit und Verbindung. Das verbindende Element zwischen dem Herzen und der großen, komplexen Welt ist in Rolf Jacobsens Gedichten immer wieder die Natur. Wie im Text „Laubsäle“, in dem die menschliche Endlichkeit auf Erden mit dem kurzen Lebenszyklus des Laubs bebildert wird:

„kann eine Weile trinken von der Süße,
bis die Sonne im Herbst stirbt und alles aus ist.“
„Gedacht wird alles groß, doch endet ärmlich,
ich bin ein Erdenglanz und später nichts mehr.“

Nüchtern beobachtete Naturgegebenheiten

Die „Sehnsucht nach einem wachen Herzen“ entstammt dem Gedicht „Epistel“, in dem der Tod eines geliebten Menschen betrauert wird. Auch hier versucht Rolf Jacobsen, nüchtern beobachtete Naturgegebenheiten mit sinnstiftender Transzendenz zu verbinden:

„Welche Ewigkeit beugt sich nieder ins Gras
wo Käfer laufen,
und welcher Weltraum aus Glauben weitet sich hinter dem Licht
der Rosen.“
„Nun beugt sich die Zeit in alle Wiesen,
die Sternenzeit in das Grün“

Rolf Jacobsen findet Schönheit und Trost in der Natur

Rolf Jacobsen Nachtoffen Cover Edition Rugerup

Nicht zuletzt findet der norwegische Lyriker Schönheit und Trost in der Natur. Wenn in „Korn“, „Rüsselkäfer, Schnake“ oder dem hier angefügten „Koralle“ von Pflanzen, Farben und Getier die Rede ist, werden bildstarke Metaphern auf das menschliche Leben gezeichnet:

„Vom festen Grund in der Tiefsee,
im Totenreich der Lampenfische,
wachsen sie unmerklich herauf,
Geschlecht und Geschlecht,
Stockwerk und Stockwerk
durch tausend Jahre, vielleicht zehntausend,
bis plötzlich, wie ein Jubelruf,
donnernd das Licht einbricht.
Nun sehen sie die Sonne.
Kleine Wellen wie Küsse.
In weiße Arme geschmiegt.
Humus kommt, Regen kommt,
keimende Samen kommen Blüten
kommen Palmen, auf, auf
zur Krone des Lichts.“

Der Gedichtband „Nachtoffen“ von Rolf Jacobsen (1907-1994) wurde von Klaus Anders übersetzt und herausgegeben und ist 2017 in der Edition Rugerup erschienen. (Beitragsbild: Geir Olsen)

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