Rogê: Curyman II – Albumreview

Tradition  und Moderne der brasilianischen Popmusik, Lebensfreude und Melancholie – bei Rogê mündet all das in einem perfekten Samba-Funk-Album.

von Werner Herpell

Fast 50 Jahre alt musste Roger José Cury alias Rogê werden, um als einer der besten Musiker Brasiliens, ach was, des südamerikanischen Kontinents wahrgenommen zu werden. Mit dem nach seinem Spitznamen benannten Album „Curyman“ schaffte der begnadete Singer-Songwriter und Akustikgitarrist im Vorjahr auch in den USA und Europa den Durchbruch zumindest bei den Wordmusic-Kritikern. Mit „Curyman II“ legt Rogê nun nach – und, Mannomann!, was ist das wieder für eine tolle Platte geworden.

Wie Manna vom Brasil-Pop-Himmel

Roge Curryman II Albumcover

Wer, wie dieser Schreiber, schon lange auf die raffinierte Rhythmik und die melodische Sinnlichkeit brasilianischer Musik (also der „Música Popular Brasileira“ MPB) abfährt, für den fällt dieses spätsommersonnendurchflutete Samba-Funk-Album zum Jahresende und erst recht im trüben November wie Manna vom Pop-Himmel. (Fast zeitgleich übrigens mit dem Studiodebüt „Pique“ der deutlich jüngeren, stilistisch aber durchaus ähnlichen und ebenso brillanten Dora Morelenbaum, die hiermit gleich mitbeworben sei.)

„Curyman II“ vereint die Errungenschaften von Brasil-Pop-Pionieren der Sixties/Seventies wie Caetano Veloso, Gal Costa, Jorge Ben oder Gilberto Gil mit einem modernen Ansatz, der aber nie aufgesetzt ironisierend/distanzierend daherkommt – vergleichbar etwa mit dem wunderbaren Landsmann Lucas Santtana. „A tribute to two legends of Brazilian music, João Donato and Caetano Veloso“ sei seine neue Platte, sagt Rogê selbst mit sympathisch offener Ehrerbietung vor den MPB-Legenden.

Atemberaubend schöne Harmonien

„Curyman II“ schwelgt wie der Vorgänger in atemberaubend schönen Harmonien, die von der warmen, so reifen wie zugleich jungenhaften Stimme Curys, aufgekratzten Call-and-Response-Gesängen, prachtvollen Streicherarrangements und sanften, souligen Grooves getragen werden. Eine perfekte Mixtur aus Lebensfreude und Melancholie.

Rogê stammt aus Rio de Janeiro, lebt aber jetzt in Los Angeles, was seinem Erfolg in den USA (und vermutlich auch beim Rest der Pop-Öffentlichkeit) nicht schaden dürfte. Sein Bekanntheitsgrad war schon gestiegen, als er den Titelsong für die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien mitschrieb. Erst kürzlich veröffentlichte er eine Single mit der New Yorker Instrumental-Funk-Gruppe Menahan Street Band, „Curyman II“ wurde wiederum von Thomas Brenneck (Budos Band) produziert.

Worldmusic-Album des Jahres von Rogê

„Rogês Songs transportieren so einiges. Die Leichtigkeit und die Schwere, die Einsamkeit und die Mitteilsamkeit, die Tradition und die Moderne“, schwärmte bereits beim Vorgängerwerk die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ). Dem Welterfolg steht also nichts mehr im Wege, oder? Das wollen wir doch hoffen. Falls dieses Jahr nur Geld für eine einzige Worldmusic-Scheibe da sein sollte, dann bitte in diese hier von Rogê investieren. Es könnte eine popmusikalische Entdeckung sein, die diese Welt zu einem etwas freundlicheren Ort macht.

Das Album „Curyman II“ von Rogê ist am 22.11.2024 bei Diamond West/Cargo erschienen. (Beitragsbild-Credit: Roge)

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