Robert Glasper / Miles Davis: Everything’s Beautiful – Album Review

Miles Davis im Spiegel des 21. Jahrhunderts

von Sebastian Meißner

Es ist ein mutiger Ansatz, den Robert Glasper für „Everything’s Beautiful“gewählt hat. Er nimmt Skizzen und Outtakes, die Miles Davis während seiner Zeit bei Columbia Records hinterlassen hat, und verarbeitet sie zu neuen Ideen. 25 Jahre ist Miles Davis nun schon tot. In diesem Jahr wäre er 90 geworden. Um das Erbe des Jazz-Giganten kümmert sich derzeit vor allem Robert Glasper. Er verantwortete schon als Supervisor den Soundtrack zum Biopic „Miles Ahead“. Für „Everything’s Beautiful“ erhielt Glasper Zugang zum Archiv von Miles Davis. Er wählte bekannte Songs aus der Zeit zwischen Mitte der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre, ein paar original Trompeten-Sequenzen und Wortschnipsel.

„Die Idee hinter ‚Everything’s Beautiful‘ war es zu zeigen, wie Miles die Menschen dazu inspirierte neue, eigene Kunstformen zu erschaffen“, sagte Glasper. Der 38-jährige hält sich auf dieser Platte selbst stark zurück – und setzt stattdessen auf die Kraft des Kollektivs beim Musizieren. Zahlreiche Gäste hat er sich ins Studio geladen – darunter Erykah Badu, Bilal, Ledisi, Laura Mvula, Georgia Ann Muldrow, Hiatus Kiyote und John Scofield. Sie sollten aus den Skizzen des Meisters neue Ideen kreieren. Mit einem Bein in der Tradition, mit dem anderen in der Zukunft – Miles Davis hätte diese Arbeitsweise gefallen. Er selbst war über Jahrzehnte der treibende Motor des Jazz, der Innovator, der immer auf der Jagd nach neuen Sounds war. Viele Stücke auf „Everything’s Beautiful“ sind skizzenhaft geblieben. Sie wirken unfertig, wie im Prozess der Werdung eingefroren.

Genau das ist das Spannende an dieser Platte: Sie dokumentiert den kreativen Schaffensprozess beim Musizieren, den Moment der Grenzüberschreitung, eben so wie es viele der großen Miles-Aufnahmen auch taten. Als Hörer ist man Zeuge der Ideengeburt. Am nachhaltigsten wirken „Violets“ mit dem Laid Back-Rap von Phonte, der Klagegesang „Little Church“ mit Hiatus Kayote sowie das eingängige „Silence In The Way“ mit Laura Mvula am Mikrofon. Es ist spekulativ, ob Miles Davis heute wirklich so klingen würde wie die Songs auf „Everything´s beautiful“. Sicher aber ist, dass die hier vertretenen Künstler heute so klingen, weil sie von der Musik von Miles Davis beeinflusst wurden. Ein lebendiger Beweis seiner Allgegenwärtigkeit.

„Everything’s  Beautiful“ von Robert Glasper ist am 27. Mai bei Col / Sony Music erschienen.

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