Rickie Lee Jones: Pieces Of Treasure

Russ Titelman und Rickie Lee Jones credit Vivian Wang

Schon mehrfach hat Rickie Lee Jones tolle Alben mit Fremdmaterial eingespielt. Ihr neues Werk mit Jazz-Standards stellt unter Beweis, dass sie immer noch eine Meisterin der Cover-Kunst ist.

von Werner Herpell

Reine Cover-Alben sind oft nur eine Verlegenheitslösung. Wenn es in einer Musikerkarriere mal an Orientierung oder an Inspiration für eigene neue Songs fehlt, macht man sich halt über Klassiker und Standards her. Beispiele für beiläufig oder gar lieblos zusammengeschusterte Platten mit Fremdmaterial gibt es in der Pop-Geschichte reichlich – „Pieces Of Treasure“, das neue Werk von Rickie Lee Jones, gehört definitiv nicht dazu, diese zehn Stücke sind tatsächlich wertvolle Kleinode.

Jazz-Cover von der „Duchess of Coolsville“

Rickie Lee Jones Pieces Of Treasure Cover Modern Recordings

Die

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„Duchess of Coolsville“ (so der Untertitel ihres Albums mit Jazz-Interpretationen) ist eine so einmalige, mit allen Wassern gewaschene Sängerin, dass sie die allesamt ikonischen Lieder – von „Just In Time“ (Jule Styne/Betty Comden/Adolph Green) bis „It’s All In The Game“ (Charles G. Dawes/Carl Sigman) – lässig zu stemmen weiß. Jones, deren von Folk, Rhythm ’n‘ Blues und auch bereits Jazz beeinflusstes Debütalbum 1979 erschien und mit „Chuck E.’s In Love“ gleich einen Riesenhit des Westcoast-Pop abwarf, hat allerdings auch schon reichlich Erfahrung mit Cover-Versionen gesammelt.

Die 1991 veröffentlichte Platte „Pop Pop“ enthielt Blues- und Jazz-Standards, aber auch Jimi Hendrix‘ „Up From The Skies“. Knapp zehn Jahre später brachte die Sängerin mit der markant nasalen Stimme das Album „It’s Like This“ mit Songs von George Gershwin und Leonard Bernstein bis zu Steely Dan, Marvin Gaye und The Beatles heraus. Zuguterletzt enthielt „Kicks“ von 2019 US-Rock- und Pop-Tracks von America, Elton John und Steve Miller, aber auch „Mac The Knife“ von Bertolt Brecht/Kurt Weill mit typischem RLJ-Stempel.

Eine ganz natürliche Aneignung

Während man bei anderen Künstlern „Die traut sich was…“ gedacht hätte, klang die Aneignung von anspruchsvollem Fremdmaterial durch Rickie Lee Jones stets ganz natürlich und logisch. Auf  „Pieces Of Treasure“ (dessen Grapsch-Cover in MeToo-Zeiten durchaus gewöhnungsbedürftig oder aber selbstbewusst anmutet) ist das nicht anders. Hier widmet sich die 68-jährige zweifache Grammy-Gewinnerin erstmals ausschließlich dem „American Songbook“.

Jones hat sich dafür wieder mal mit Russ Titelman (Co-Produzent ihres selbstbetitelten Debütalbums und des Schlüsselwerks „Pirates“ von 1981) zusammengetan. Der sagt über die Aufnahmen: „Ihre Stimme hat immer etwas jünger geklungen, als sie eigentlich sollte. (…) Aber auf dieser Platte klingt die gealterte Stimme sogar noch besser als die jugendliche. Da ist eine Resonanz und Wärme in ihrer tieferen Stimmlage, die es vorher nicht gab. Ich bewundere die junge Rickie Lee – aber noch mehr liebe ich die „große alte Dame“, seit ich sie beobachtete, wie sie ihr Herz ausschüttete, sobald sie vor einem Mikrofon stand.“

Rickie Lee Jones‘ tränenreiche Intensität

Am deutlichsten hört man diese Intensität in der abschließenden Jazz-Ballade „It’s All In The Game“: ein Lied, das Rickie Lee Jones mit so viel Gefühl auflädt, dass ihre Stimme zu brechen scheint – am Ende hört man sie tatsächlich schluchzen. „Ich gab alles, was ich hatte, und am Ende des Songs brach ich zusammen und habe sehr geweint“, sagte die Sängerin in einem NDR-Interview. „Russ kam rein, umarmte mich, und es wurde nichts geredet. Er hat verstanden, dass mit mir nichts weiter los war, sondern dass einfach nur viel Gefühl im Spiel war.“

Von „beiläufig oder lieblos zusammengeschustert“ (siehe oben) kann bei „Pieces Of Treasure“ also nicht die Rede sein. Diese von Rob Mounsey (Piano, Vibrafon), Russell Malone (Gitarre), David Wong (Bass) und Mark McLean (Schlagzeug) sensibelst eingespielten Cover-Versionen sind eine würdige Ergänzung von Jones‘ Spätwerk, das gewissermaßen mit den eigenen Songs von „The Other Side Of Desire“ 2015 begonnen hatte. Freuen wir uns also auf weitere tolle Alben der „Herzogin von Coolsville“ – ob mit Fremdmaterial oder selbstkomponierten Liedern.

„Pieces Of Treasure“ von Rickie Lee Jones erscheint am 28.04.2023 bei BMG/Modern. (Beitragsbild: Russ Titelman und Rickie Lee Jones, credit Vivian Wang)

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