Im Band 1 seiner „Analyse eines Lebenswerks“ beschäftigt sich Richard Koechli mit den Dire-Straits-Jahren von Mark Knopfler
von Jens Krüger
Money for Nothin‘ and Chicks for free? Wenn es doch so einfach wäre! Dass die goldene Karriere der Dire Straits das Resultat knallharter Arbeit und endloser Tourneen über den Globus war, dürfte dem denkenden Mark-Knopfler-Fan auch vor diesem Buch offensichtlich gewesen sein. Nach der „Analyse eines Lebenswerks“ wissen wir mehr über den Weg an die Spitze. Auf 552 Seiten führt der Schweizer Bandleader, Gitarrist und Autor Richard Koechli mikroskopisch detailreich und im Plauderton durch den Aufstieg der Dire Straits. Beginnend mit der Kindheit des kleinen Mark, der sich die Nase an der Scheibe des Musikkaufhauses in Newcastle platt drückt, bis zum Zenit, den gigantischen Stadion-Konzerten der Band.
Keine Mark-Knopfler-Schmonzetten
Das Buch unterscheidet sich von anderen Musikerbiografien insbesondere dadurch, dass auf klebrige Schmonzetten aus Knopflers Privatleben verzichtet wird. Es ist eher, als hätte Youtube-Legende Rick Beato diese Biografie geschrieben. Die Musik und wie sie gemacht wurde, steht jederzeit im Fokus. Das bedeutet, dass ein Schlaglicht auf das Songwriting gelegt wird. Koechli schreibt über die Reggae-Einflüsse der Anfangstage und die im Rückblick fast ein wenig vulgär wirkenden Hall- und Effekt-Exzesse der Band auf dem MTV-Olymp der frühen 90er.
Auf der Reise durch die Band-Biografie wird buchstäblich jede Kapillare des Gitarrenhalses inspiziert. Welche Gibson-, Fender- oder Dobro-Modelle – inklusive Seriennummern und Herkunft – kamen auf welchem Album zum Einsatz; welche Bandmaschinen, Kompressoren, Synthesizer und Effektgeräte wurden im Studio verwendet; welche Mitmusiker hatte einen besonders großen (Mit-)Einfluss auf den Erfolg der Dire Straits (z. B. Bruce Springsteens E-Street-Band-Keyboarder Roy Bittan); welcher Knopfler-Fan hätte vorher gewusst, dass das Livealbum „Alchemy“ im mobilen Lkw-Studio der Stones aufgenommen wurde (naja, einige vielleicht, ich nicht); und wie genau war eigentlich die Zusammenarbeit mit Singer-Songwriter-Legende Bob Dylan?
Kurz: Das ist allerfeinster akribisch recherchierter Nerd-Content.
Die Mark-Knopfler-Helden
Auch erfährt der Leser, dass Mark Knopfler ohne Zweifel der Boss der Dire Straits war, was immer wieder zu Spannungen im Bandgefüge führte. Für mich angesichts seines zurückhaltenden und ausgeglichenen Wesens in Fernsehinterviews fast ein wenig überraschend. Besonders wertvoll als Fan empfinde ich, mehr über die musikalischen Helden des Protagonisten Knopfler selbst zu erfahren. Hank Marvin, dessen Sound für mich vor allem im Tarantino-Universum angesiedelt war. Natürlich J.J. Cale, diese unglaublich coole Songwriter-Socke, der sein Leben lang – auch ein wenig selbstbestimmt – unter dem Erfolgsradar geflogen ist und gleichzeitig so viel Einfluss auf Musiker wie Eric Clapton, Tom Petty, Neil Young oder eben Mark Knopfler hatte. Hilfreich, dass Koechli reihenweise Referenzlinks Richtung Youtube etc. aufgeschrieben hat, damit der Leser noch einmal nachhören kann, worüber der Autor spricht.
Das beste Dire-Straits-Album
Richard Koechli vergleicht hier die Inspiration, die von Musikergeneration zu Musikergeneration übergeht, mit der „olympischen Flamme, die nie erlischt“. Ein schönes Bild, das den Kern trifft und sicherlich auf Knopfler zutrifft, der Armeen von Nachwuchsgitarristen beeinflusst haben dürfte. Interessant finde ich, dass Koechli „Making Movies“ auf das Podest des vermeintlich besten Dire Straits-Albums hebt, das in meiner eigenen Präferenz immer ein wenig durch das Raster gefallen ist. Mein Herz gehört hier klar „Communiqué“. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
Etwas schrullig wirkt, dass Koechli deutlich auch persönliche Rants zum politischen Weltgeschehen und spitze Bemerkungen z. B. gegen KI-Autoren und Musik-Streaming einfließen lässt. Schmeckt ungewöhnlich und wäre dem Lektorat eines Großverlags sicher zum Opfer gefallen, stört aber den Lesefluss nicht und macht den Autor Richard Koechli menschlich und authentisch.
Ein Satz, der ins Schwarze trifft
Warum 552 Seiten? Koechli wird auf seiner Website zitiert: „Der Grund ist, dass mich jeweils das Ganze interessiert; die Weggefährten, die Vorgänger, die Philosophie hinter der Kunst, tausend Details aus verschiedenen Bereichen. Musikgeschichte ist ein unglaublich spannendes Puzzle mit aufregenden Anekdoten und Hintergrund-Storys.“ Irgendwo im Buch heißt es: Mark Knopfler habe die linke Hand eines Blues-Gitarristen, die rechte eines Country-Fingerpickers, das Herz eines sensiblen Romantikers und den Kopf eines klassischen Komponisten. Ein Satz, der ins Schwarze trifft.
Langweilig ist mir dieses Buch nie geworden. Ich bin gespannt auf den Nachfolger, der dann auf das Solo-Oeuvre Knopflers blicken wird, das mir persönlich sogar nochmal eine Spur mehr am Herzen liegt.
Richard Koechli: „Mark Knopfler – Analyse eines Lebenswerks, Band 1“, Tredtion-Verlag, Hardcover, 552 Seiten, 9783384493057, 42,80 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)