R.E.M.: Collapse Into Now

Eins der drei besten R.E.M.-Alben

von Gérard Otremba

Seit nunmehr auch schon unglaublichen 30 Jahren sind R.E.M. aus Athens, Georgia, in der Musikszene tätig. Ihr alternativer College-Rock mit den mannigfaltigen Reminiszenzen an den Folk-Rock der 60ies, wie zum Beispiel dem der Byrds, war in der 80ern eine der süßesten musikalischen Verführungen und kulminierte 1991 in dem Megahit „Losing My Religion“. Mit dem darauffolgenden Album „Automatic For The People“ erklommen Michael Stipe, Peter Buck, Mike Mills und der mittlerweile ausgestiegene Bill Berry den Musik-Olymp und schenkten dabei der Welt so brillante Songs wie „Drive“, The Sidewinder Sleeps Tonite“, „Everybody Hurts“, „Nightswimming“, „Man On The Moon“ und „Find The River“. Mit „Collapse Into Now“ ist am 4. März 2011 das 15. R.E.M.-Album erschienen, das an die Großtaten von damals anknüpft

Mit „Überlin“ gelingt R.E.M. eines ihrer besten Songs der letzen 20 Jahre

Im Vergleich zum leicht zerrissen wirkenden Vorgänger „Accelerate“ haben Peter Buck, Mike Mills und Michael Stipe die verspielten und R.E.M. auszeichnenden Melodien wiedergefunden. Dynamisch geht es mit „Discoverer“ los, der Song holt den Hörer sofort ab, die Gitarre treibt das Stück vorwärts, Michael Stipe schreit den Titel immer wieder laut in die Welt hinaus, als ob es für R.E.M. um einen Neuanfang mit Rückbesinnung zu alten Tugenden ginge. „All The Best“ rockt gleich im Anschluss noch mehr ab. Im Vordergrund wirkt das Schlagzeug als treibende Kraft, doch an diesem Stück stimmt einfach das Gesamtpaket, der Beat, die Melodie, die Songstruktur wirken durchdachter und eingängiger als die meisten Songs auf „Accelerate“. Sehr nah an ihr Meisterwerk „Automatic For The People“ kommen R.E.M. bei „Überlin“, denn dieser Song hätte dort wahrlich seinen Platz gefunden. Kaum jemand kann bei solchen filigranen und schönen Melodien soviel Melancholie in seine Stimme legen wie Michael Stipe. Man fühlt sich einfach wieder gut aufgehoben bei R.E.M.. Einer der besten R.E.M.-Songs der letzten 20 Jahre.

Vom hymnischen Folk-Pop bis zum Postpunk

Sanfter Folk-Pop wird mit „Oh My Heart“ serviert, von Banjo- und Akkordeon-Klängen getragen, Stipes` Stimme barmt inbrünstig, textlich „a sort of homecoming“. Sehr folklastig auch „It Happend Today“, allerdings hymnischer und harmonieseliger im Vortag, wozu die Backing Vocals von Eddie Vedder ihren Teil beitragen. Ein ganz verträumtes Kleinod folgt mit „Every Day Is Yours To Win“. Eine verspielte Gitarrenmelodie gibt den Ton an, traurig und intensiv. „Mine Smells Like Honey“ ist diese typische R.E.M.-Uptempo-Nummer, radiofreundlich, zum Tanzen animierend und sofort im Ohr haften bleibend. Ganz ruhig und entspannt wird es nochmal bei „Walk It Back“, bevor es R.E.M. zu „Alligator_Aviator_Autopilot_Antimatter“ richtig krachen lassen. Durchgeschüttelter Postpunk mit Peaches als vokale Begleitung, klingt wie eine schnellere Nummer von Blondie oder auch der 70er Jahre Patti Smith.

Collapse Into Now als eines der drei besten R.E.M.-Alben

Fröhlich, kurz und knackig und deutlich unter zwei Minuten kommt „That Someone Is You“ daher, bevor Michael Stipe in „Me, Marlon Brando, Marlon Brando And I“ Neil Young seine Referenzen erweist. Dessen Zeilen „Marlon Brando, Pocahontas And Me“ im Song „Pocahontas“ sind natürlich in Stein gehauen, aber Stipe macht das Beste aus der Steilvorlage. „Blue“ mit den mittlerweile typisch klagenden Vocals von Patti Smith beschließt das Album. Auch wenn kein „Losing My Religion“, kein „Man On The Moon“ und kein „Everybody Hurts“ auf „Collapse Into Now“ zu hören sind, ist es ein rundum gelungen neues Album geworden, nicht von der Klasse von „Automatic For The People“, was eigentlich auch unmöglich ist, aber in der Werkausgabe von R.E.M. irgendwo zwischen „Out Of Time“ und „New Adventures In Hi-Fi“ anzusiedeln ist. Somit zählt „Collapse Into Now“ zu den drei besten bisher erschienen R.E.M.-Alben.

„Collapse Into Now“ von R.E.M. ist Anfang März 2011 bei Warner erschienen.

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