Portrait der Hamburger Indie-Pop-Band Kraków Loves Adana

Kraków Loves Adana und die neue Unabhängigkeit

Ausgerechnet Bielefeld. Es soll Verschwörungstheoretiker geben, die die Existenz der ostwestfälischen Stadt anzweifeln, aber alles Lüge. Denn im  Bielefelder Club Ringlockschuppen lernten sich Deniz Cicek und Robert Heitmann 2006 kennen, der Beginn einer privaten und beruflichen Beziehung, die für die beiden nunmehr 29-Jährigen Musiker nach wie vor anhält. Denn nachdem am 24.03.2017 mit Call Yourself New das dritte Album unter ihrem Bandnamen Kraków Loves Adana erschienen ist, stehen Ende April drei Konzerte an, darunter eins am 25.04. im Hamburger Nachtasyl.

Die westfälische Heimat von Deniz Cicek und Robert Heitmann gab zwar nicht den Ausschlag für den Moniker Kraków Loves Adana, doch die familiäre Herkunft spielte bei der Namensgebung dann doch eine entscheidende Rolle. Heitmanns Mutter nämlich stammt aus Oberschlesien, der unmittelbaren Nähe Krakaus (im Polnischen: Kraków) also, während die in Bielefeld groß gewordene Cicek türkische Wurzeln besitzt. „Krakau Loves Istanbul“ wäre dann wohl zu offensichtlich gewesen, meint Deniz Cicek, außerdem klingt Kraków Loves Adana wesentlich eleganter und ein Stück weit geheimnisvoller, ist die fünftgrößte Stadt der Türkei schließlich nicht ganz so berühmt wie die Metropole am Bosporus. Seit 2015 wohnen die beiden mittlerweile im Herzen Hamburgs, auf St. Pauli.

Die Hansestadt an der Elbe ist keine unbekannte für das Duo, hat doch mit Clouds Hill das ehemalige Kraków Loves Adana-Label seine Heimstatt in Hamburg, bei dem die Indie-Pop-Band ihre ersten beiden Alben Beauty und Interview in den Jahren 2010 und 2012 veröffentlichte. In dieser Zeit studierten Robert Heitmann und Deniz Cicek im beschaulichen Freiburg, Cicek Zahnmedizin, Heitmann VWL. Ciceks Musikkarriere begann im Alter von acht Jahren, als sie klassische Konzertgitarre lernte, den Unterricht bis zum 16. Lebensjahr vorantrieb und im Bielefelder Gitarrenensemble spielte. „Es ging dann sogar darum, ob ich Musik studiere, aber irgendwann fand ich es nicht mehr so interessant, Sachen zu interpretieren, sondern meine eigene Musik zu machen“, beschreibt sie ihren Weg zu Songwriterin.

Sounds & Books_Kraków Loves Adana_Pressefoto

Bei Robert Heitmann war der familiäre Musik-Einfluss groß. Sein Großvater verdiente als Geiger sein Geld in Orchestern und am Theater, so dass Heitmann von der frühkindlichen Musikerziehung profitierte. „Ich bin von meinen Eltern in die Richtung gelenkt worden und habe als Kind Klavier gelernt, aber es erging mir wie vielen anderen auch. Ich entsprach dem elterlichen Wunsch, doch ich blieb nicht wirklich dran“, erinnert er sich an seine Kindheit. Erst im Teenageralter fasste er Fuß in der Musik und fand sich aufgrund seines sozialen Umfelds in einer Grunge-Band wieder. Es war jedoch die Liebe zu Indie-Band Bright Eyes um Sänger Conor Oberst, die Cicek und Heitmann zueinander finden ließ.

Die Musik von Bright Eyes war für Cicek ein Schlüsselerlebnis in ihrer Entwicklung als Musikerin: „Als ich das Album Fevers And Mirrors hörte, hat es klick gemacht. Ich dachte erstmals, es gibt also nicht nur die typische Rock- und Popmusik, nein, man kann auch mit wenigen Mitteln so eine ästhetische Musik machen“, erzählt Cicek bewundernd. Als kreativer Kopf des Duos schaut sie gerne über den musikalischen Tellerrand hinaus. Sie hört zwar immer noch die alten Sachen, beschäftigte sich in jüngster Vergangenheit aber auch verstärkt mit aktuellen Künstlerinnen wie Natasha Khan von Bat For Lashes, Alison Mosshart von The Kills oder Lera Lynn, deren Musik sie über den Soundtrack zur Serie True Detective kennenlernte.

Fernsehserie ist ein gutes Stichwort. Denn befragt man Deniz Cicek nach ihren Inspirationsquellen, so weicht die 29-Jährige von der Musik zum Film aus. „Es ist immer schwierig, die Inspiration zu benennen, alle gesammelten Eindrücke fließen letztendlich mit hinein. Aber tatsächlich sind es bei mir hauptsächlich Serien und Filme. Mich inspiriert die Attitude, die Einstellung, wie die Musik rausgetragen wird. Ich finde es sehr interessant, Interviews von Künstlern zu sehen, die über den Schreibprozess sprechen. Das finde ich inspirierend, zu wissen, was hinter der Musik steckt“, fasst Cicek die Frage zusammen. Inspiriert wird die Kraków Loves Adana-Songwriterin in erster Linie zu melancholischen Songs. Es falle ihr schwer, fröhliche und unbeschwerte Musik zu machen.

Sounds & Books_Kraków Loves Adana_Pressefoto

„In meinen Texten geht es zumeist um Identität und Selbstreflexion. Sicherlich aufgrund meiner Herkunft, auch wenn es klischeehaft klingt, über das Gefühl, nicht zu wissen, wo man hingehört“, führt Deniz Cicek aus. Zugehörigkeitsgefühle, aber auch die Sehnsucht nach Glück und das Streben nach Höherem seien für sie thematische Schwerpunkte, fügt sie an und erzählt eine schöne Anekdote über die Wirkung ihrer Lieder: „Als meine Mutter zum ersten Mal meine Musik hörte, weinte sie. Dadurch, dass sie kein Englisch kann und die Texte nicht versteht, ist es sehr interessant zu sehen, welchen Eindruck die Songs auf sie ausüben. Sie meinte, sie könne gar nicht verstehen, weshalb ich so traurige Musik mache und fragte sich bereits, ob sie in der Erziehung etwas falsch gemacht habe.“ Nicht so sehr viel, wie sie wohl dachte, hat sie doch eine musikmachende Zahnärztin, die in einer Tischlerei arbeitet als Tochter vorzuweisen. Und wer kann das schon von sich behaupten?

Obwohl Deniz Cicek für Texte und Kompositionen bei Kraków Loves Adana zuständig ist, bildet sie mit ihrem Partner Robert Heitmann eine Band, ein Team und beide sehen sich als „Symbiose“. Heitmanns Arbeit beginnt bei der Produktion der Songs und endet mit der Verbreitung als Betreiber von Better Call Rob, dem Label, mit dem er sich selbständig gemacht hat und auf dem das neue Album Call Yourself New erschienen ist. „Mich mit dem Label selbständig zu machen, war die beste Entscheidung meines Lebens“, ist sich Heitmann sicher. Mit der im Eigenvertrieb veröffentlichten EP Contrast begann Ende 2015 die Abnabelung vom alten Label, eine „Impulsreaktion“ und ein „Wendepunkt“ sei die EP gewesen, sagt Cicek, die nicht mehr wollte, dass ihr „noch jemand in den kreativen Prozess hineinredet.“ Eine Art Coming-of-Age-EP, die Deniz Cicek musikalisch „so zeigt, wie ich bin.“

Unter diesen Voraussetzungen entstand der dritte Longplayer von Kraków Loves Adana. „Es ist für mich die bisher persönlichste Platte, die wir gemacht haben. Call Yourself New ist zum ersten Mal 100 Prozent Kraków Loves Adana“, erzählt Cicek. Eine Platte, die auch ihr gereiftes und gesteigertes Selbstbewusstsein als Sängerin und befreite Songwriterin zeigt. Musik, in der ihre ganze Identität stecke und die sie als den Sinn ihres Lebens empfinde. „In den Zeiten, in denen ich wenig Musik machte, fühlte ich mich immer unglücklich“, berichtet sie weiter. „Immer wenn Musik bei meiner Arbeit nicht dabei ist, fehlt etwas. Es entwickelt sich eine Sehnsucht nach Musik, die mir als emotionaler Katalysator dient. Ich kann mich in der Musik verlieren und sie gibt mir Power“, formuliert wiederum Robert Heitmann seine Gedanken zum Thema.

Musik als direkteste Form der Kunst, die ohne Interpretation beim Hörer sofort etwas auslöse, das sei die Magie der Musik, ergänzt Cicek. Für beide Kraków Loves Adana-Mitglieder eine Phase, in der sie ihrem Lebenstraum ein Stück näher kommen. So wünscht sich Heitmann, „mit dem frisch gestarteten Label und der gut anlaufenden Selbständigkeit“ weiter machen zu können, während es für Cicek der größte Traum ist, „dass man glücklich das machen kann, was man möchte. Die Freiheit, das zu tun, was mir am Herzen liegt.“ Und das ist die Musik mit Kraków Loves Adana, in die Deniz Cicek und Robert Heitmann ihre ganze Leidenschaft stecken.

Live zu sehen sind Kraków Loves Adana am Dienstag, 25.04. in Hamburg (Nachtasyl), am 26.04. in Berlin (Monarch) und am 26.04. in Dresden (Ostpol).

Sounds & Books_Kraków Loves Adana_Pressefoto

(Bilder: Pressefotos Kraków Loves Adana)

Kommentare

Kommentar schreiben