Placebo live in Hamburg – Konzertreview

Die Placebo-Geburtstags- und Halloween-Party

Text und Fotos von Gérard Otremba

So ist das, wenn man scheinbar keine Lust hat, seinen bekanntesten Song live zu spielen. Dann lässt man einfach das Video als Ouvertüre via Leinwand laufen. So geschieht es am 31.10.2016 in der Barclaycard-Arena zu Hamburg, als die britische Rockband Placebo ihre Fans mit der Hitkonserve von „Every You Every Me“ heiß macht. Es ist Halloween, die Bandmitglieder dementsprechend gekleidet, Gitarrist Stefan Olsdal spielt das komplette Konzert gar als Skelett. Sänger Brian Molko macht sich zunächst einen Heidenspaß daraus, den Graf Dracula zu geben und die anwesenden Fotografen mit „Blut“ zu bespritzen, während der Rest der Band bereits „Pure Morning“ intoniert.

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Später am Abend nimmt Molko den Halloween-Faden noch einmal auf und rät seinen Fans, nach dem Konzert schnell zu verschwinden, bevor er alle verfolge und ihr Blut tränke. Ein merkwürdiges Fest, dieses Halloween. Aber es ist Partytime in Hamburg. Denn zu feiern gilt es nicht nur Halloween, sondern natürlich auch 20 Jahre Placebo. Unter diesem Motto treten Placebo die Herbst-Tour 2016 an, zu diesem Anlass ist unlängst die Retrospektive A Place For Us To Dream – 20 Years Of Placebo erschienen. Sehr viele dieser auf der Doppel-CD befindlichen Songs der Compilation finden sich auf der Setlist des Hamburg-Gigs, es ist eine Art Best-of-Placebo-Show, die Stimmung bei Band und Publikum ist prächtig. Brian Molko hat natürlich als Bandleader die große Geste drauf und nach 20 Jahren auch die Songs, um die große Hallenarena zu rocken.

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Zur großen Geste gehört selbstverständlich auch Pathos und den können Placebo nicht zu knapp, allen voran bei „Lazarus“, „Twenty Years“  und „36 Degrees“. Beim hymnischen „Too Many Friends“ werden nostalgische Gefühle geweckt und als während „Without You I’m Nothing“ auf der Leinwand Aufnahmen des zu Jahresbeginn verstorbenen David Bowie erscheinen, löst das nicht nur Extra-Jubel aus, sondern beschert zusätzlich einen denkwürdigen Gänsehautmoment. In dem knapp über zwei Stunden dauernden Placebo-Live-Erlebnis ist alles drin: Dämonisches („Space Monkey“), Brachiales („Exit Wounds“), Gewaltiges („I Know“) und Balladeskes („Special Needs“, „Lady Of The Flowers“). So genial zwischen Alternative-Indie-Rock und Mainstream balanciert irgendwie nur Placebo.

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Nach „Lady Of The Flowers“ beendet Brian Molko den „melancholischen“ Teil des Konzertes und zählt den Endspurt mit einem straighten und inbrünstigen „For What It’s Worth“ ein, dem ein wildes und wüstes „Slave To The Wage“ folgt. Danach wundert er sich zwar, wieso nicht alle Besucher tanzen, weist wieder auf die Geburtstags-Halloween-Party-Stimmung hin und betitelt den nächsten Song als „Dance Motherfucker“. Gemeint ist letztendlich „Special K“ und das wird schlicht infernalisch und ekstatisch. Zum Schluss noch ein rabiates und radikales „The Bitter End“ und die Halle steht Kopf. Zwischen den Zugaben („Teenage Angst“, „Nancy Boy“, „Infra-red“) bemerkt Brian Molko, sie seien schon häufig in Deutschland aufgetreten, aber sie kämen wieder. Das dürfen Placebo gerne tun, aber dann, Herr Molko, bitte ohne Blut.

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